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Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Titel: Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4
Autoren: dtv
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sich die Gestalt über die Reling. Der Wind wehte ihr die Kapuze vom Kopf und enthüllte ein schmutziges Gewirr hellbrauner Haare und ein knochiges, von Pockennarben übersätes Gesicht.
    »Gestattet mir, euch John Hudson vorzustellen«, murmelte HK. »Schiffsjunge auf den letzten vier Fahrten seines Vaters.«
    »Das soll ein
Junge
sein?«, fragte John. »Seine Haut hat so viele Runzeln, dass ich ihn für einen alten Mann gehalten habe.«
    »Das kommt vom Skorbut, den Frostbeulen und den Messerstechereien   … Der Winter war hart«, sagte HK bitter. »Und der Frühling auch.«
    John Hudsons Marker wandte sich von der Reling ab und rief etwas in Richtung Falltür.
    »Das Eis bricht!«
    Jonas brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass die heisere, knarrende Stimme nicht aus dem Mund des Markers gekommen war, auch wenn seine Lippen sich synchron bewegten, sondern aus dem Definator.
    »HK?«, zischte er. »Was machst du da? Ich dachte, die Zeit darf nicht verändert werden? Und   –«
    »Ich verändere die Zeit nicht. Ich versuche sie in der Bahn zu halten.« Die Stimme aus dem Definator hörte sich wieder wie HK an, allerdings in einer sehr gedämpften und angespannten Version. »Der Rest von John Hudsons Schiffskameraden muss hören, wie der Junge ruft, dass das Eis bricht. Da niemand einen Marker rufen hören kann, musste ich das für ihn übernehmen.«
    Mit zusammengekniffenen Augen sah John zum Definator hinüber. Sein Hirn arbeitete immer noch nicht mit normaler Geschwindigkeit, aber irgendetwas an HKs Antwort kam ihm merkwürdig vor.
    »Warum hast du den echten John Hudson nicht schon längst zurückgebracht und es ihn selber sagen lassen?«, fragte Katherine. »Wäre das nicht einfacher?«
    »Ja, das wäre es«, erwiderte HK, der jetzt klang, als müsse er die Zähne zusammenbeißen. »Das wäre uns auch am liebsten gewesen.«
    »Und warum habt ihr es dann nicht gemacht?«, fragte Jonas, der allmählich wieder folgen konnte. »Wo liegt das Problem?«
    »Das versuche ich euch schon die ganze Zeit über zu sagen«, meinte HK.
    »
Was
?«, fragte Katherine genervt.
    HK zauderte. Jonas spürte auf fast unheimliche Weise, wie die Sekunden verrannen   – Sekunden, die markiert wurden durch das Auf und Ab des Schiffes im Wasser; die Eiszapfen, die auf das Deck tropften; den Wind, der ein loses Seilende wie ein Pendel hin und her blies. Die Zeit wartete nicht auf HKs Antwort.
    »Ich habe versucht euch zu sagen«, stieß HK schließlich hervor, »dass wir den echten John Hudson verloren haben.«

Drei
    »Verloren!«, platzte Jonas heraus. »Du meinst, er ist gestorben?«
    »Aber nein«, erwiderte HK. »Zumindest ist er das bisher nicht.«
    »Ich hab’s, ich hab’s!«, rief Katherine. »Es ist wie in diesem uralten Film   – wie hieß er noch?
Zurück in die Zukunft
?   –, wo eine Zeitreise fast dazu geführt hätte, dass der Junge und seine Geschwister nie geboren wurden? Hat irgendein Zeitreisender vor 1611 dafür gesorgt, dass John Hudson nie existierte?« Katherine schlug sich die Hand auf den Mund und wurde um einiges blasser. »Haben
wir
das etwa 1600 angerichtet?« Sie packte den Arm ihres Bruders. »O Jonas, ich hoffe, das passiert dir nicht auch!«
    Herzlichen Dank, Katherine, dachte Jonas. Du bist wirklich eine große Hilfe.
    »Beruhige dich!«, befahl HK. »Nichts davon ist passiert. Erstens war John Hudson 1600 schon geboren. Er ist ein Teenager, siehst du das nicht?«
    »Ach ja«, sagte Katherine ein wenig verlegen.
    »Ich bin sicher, dem echten John Hudson geht es gut und er schwebt in keinerlei Gefahr, aus der Geschichte getilgt zu werden«, versicherte ihr HK. »Es ist nur so, dass wir   … äh   … ein kleines technisches Problem hatten, ihn rechtzeitig hierher zurückzubringen.«
    Jonas beobachtete den Marker, der sich wieder an der Reling zusammenkauerte. Jetzt sah er wirklich aus wie ein Geist, wie die leere Hülle eines Jungen, der ebenso gut gestorben sein könnte.
    Bei all den Sorgen rund um das Zeitreisen, denen Jonas tunlichst aus dem Weg gegangen war, wäre es ihm nie in den Sinn gekommen, dass es unmöglich sein könnte, jemanden in sein ursprüngliches Zeitalter zurückzuschicken.
    Was war, wenn es ihm genauso erging   – und der Epoche, in die er eigentlich gehörte? Welche auch immer das sein mochte.
    Hieß das, John Hudson gehörte am Ende doch nicht wirklich hierher? Und HK könnte sich geirrt haben   … in allem?
    Allmählich bekam Jonas Kopfschmerzen.
    Katherine
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