Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4

Titel: Die Gestrandeten - Im Sog der Zeiten, Bd. 4
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
verrücktesten Vorstellungen   … Wusstet ihr, dass sie glaubten, am Nordpol wäre es im Sommer genauso heiß wie am Äquator, weil die Sonne dann kontinuierlich scheint?«
    »Und dann ist jemand hingefahren, hat die Eisberge gesehen und sich gedacht, dass sie wohl danebenliegen«, warf Katherine ungeduldig ein. »Genau wie ihr in der Zeit zurückgereist seid und festgestellt habt, wie es funktioniert und   –«
    »Nein.« HKs Stimme klang plötzlich hart und fast wütend. »So schnell haben wir es nicht herausgefunden. Reisen durch die Zeit sind mit Geografie nicht zu vergleichen. Es gibt so viele Komplikationen. So viele zusätzliche Variable. Dinge, die erst zutage treten, wenn man Fehler über Fehler gemacht hat.«
    Jonas stellte fest, dass seine Sehkraft besser wurde. Er konnte jetzt mehr als nur den Definator, mehr als Katherine erkennen. Hinter ihr glitzerte eine dünne Eisschicht auf einem verwitterten Holzboden und einer Ansammlung ebenso verwittert aussehender Holzfässer.Und dahinter   – Jonas kniff die Augen zusammen   – lag Nebel.
    Also kann ich immer noch nicht alles sehen, dachte er und schnaubte, weil die Salzluft in seiner Nase brannte. Moment, das ist echter Nebel! Deshalb kann ich nichts sehen!
    Er schwankte nur leicht, als er sich ganz aufrichtete. Jetzt konnte er erkennen, dass der Holzboden in eine Art hölzerne Wand überging. Doch die Wand ragte nur etwas über einen Meter in die Höhe. Darüber sah Jonas in den grauen, nebligen Himmel   – und auf ein kompliziertes Seilgeflecht, das zu einem Wust aus schmuddeligem weißen Tuch hinaufführte.
    Segel, dachte Jonas. Takelage. Wir sind auf einem Schiff.
    Auch das Tauwerk glitzerte eisig. Eiszapfen hingen an den Seiten des Schiffes.
    Jetzt begriff Jonas, warum er nicht aufhören konnte zu zittern: Er war nur mit Jeans und T-Shirt bekleidet und hier war es bitterkalt. Die Welt um sie herum sah aus wie eine Gegend, in der es niemals taute.
    Jonas stockte der Atem.
    »Schickst du uns etwa zum Nordpol?«, fragte er.

Zwei
    »Nein, nein«, erwiderte HK. »Es ist 1611.«
    Er sprach das Datum aus, als müsste Jonas und Katherine dadurch ein Licht aufgehen. Als keiner von beiden etwas sagte wie: »Ach so! Natürlich! 1611!«, erklärte er mit einem Seufzen:
    »1611 wussten die frühen Entdecker bereits, dass es keinen Zweck hat, den Weg über den Pol zu nehmen«, sagte er und klang dabei wie ein Lehrer, der sich von ganzem Herzen wünschte, es mit gescheiteren Schülern zu tun zu haben. Oder zumindest mit welchen, die gebildeter waren. »Ihr seid in der James Bay, die einmal zu Kanada gehören wird. Und ihr befindet euch auf Henry Hudsons Schiff   – jedenfalls noch für eine Weile. Er war derjenige, der die Theorie von ›je näher der Pol, desto wärmer das Wasser‹ widerlegt hat. Aber ihr nehmt an einer späteren Reise teil; an seiner letzten, um genau zu sein.«
    Wieder ließ der unheilvolle Unterton in HKs Stimme Jonas schaudern.
    Er warf einen Blick zu Katherine hinüber, die tatsächlich grinste.
    »Henry
Hudson
?«, fragte sie und klang dabei fast so aufgeregt, als drehe sich ihr Gespräch um die Jonas Brothers und nicht um einen verstaubten alten Entdecker. Oder eher einen
vereisten
alten Entdecker?, ging es Jonas durch den Kopf. »Eines der verschollenen Kinder der Geschichte hieß John Hudson, nicht?«
    »Richtig«, sagte HK.
    »Aus der gleichen Familie?«, wollte Katherine wissen.
    »Ich glaube, das kannst du dir denken«, sagte HK. »John war Henry Hudsons Sohn.«
    Katherine knuffte Jonas gegen die Schulter, dass dieser fast wieder umgefallen wäre.
    »Also das ist Jonas’ wahre Identität!« Jetzt quietschte sie förmlich. »Er muss John Hudson sein, weil du keine anderen verschollenen Kinder zurückgebracht hast!«
    Jonas spürte, wie sich sein Magen zusammenkrampfte. Er glaubte nicht, dass er die Zeitkrankheit länger dafür verantwortlich machen konnte. Aber vielleicht war es die Seekrankheit?
    Er wusste, dass er eines der verschollenen Kinder war, die Gary und Hodge, zwei skrupellose Babyschmuggler aus der Zukunft, aus der Geschichte entführt hatten. Er wusste, dass er irgendwann in sein ursprüngliches Zeitalter zurückkehren musste, um den Schaden zu reparieren, den Gary und Hodge angerichtet hatten. Und ihm war klar, dass er schon vor Ewigkeiten hätte nachfragen müssen, wer er wirklich war und aus welcher Zeit er eigentlich stammte.
    Doch es war beängstigend zu wissen, dass er jemand anders sein sollte als Jonas
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher