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Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Titel: Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)
Autoren: Denis Diderot
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gespielt,« antwortete Mirzoza, »Ich hatte zwölf Bilder; ich glaube, ich habe den ganzen Abend nicht drei Stiche gemacht.« »Das tut mir leid,« sagte Mangogul. »Aber was halten Sie von meinem Geheimnis?« »Gnädigster Herr,« antwortete Mirzoza, »ich bleibe dabei, es kommt vom Teufel. Es wird Ihnen unstreitig Vergnügen machen, aber dies Vergnügen wird schreckliche Folgen haben. Sie verbreiten Unruhe in allen Familien, den Männern geht ein Licht auf, die Liebhaber verzweifeln, die Frauen sind verloren, die Mädchen entehrt, und weiß ich, was sonst noch geschehn kann? O gnädigster Herr, ich beschwöre Sie …« »Bei meiner Seele!« unterbrach Mangogul, »Sie reden ja wie ein Bußprediger! Ich möchte wohl wissen, warum Ihnen gerade heute die Liebe des Nächsten so nahe zu Herzen geht? Nein, Madame, nein, ich behalte meinen Ring. Mag den Männern ein Licht aufgehn, mögen die Liebhaber verzweifeln, die Weiber zugrunde gehen und die Mädchen entehrt werden, wenn ich mich nur dabei gut unterhalte. Bin ich denn umsonst Sultan? Auf Wiedersehn, Madame! Es steht zu hoffen, daß die folgenden Auftritte possierlicher sind, wie der erste, und daß Sie selbst mit der Zeit Geschmack daran finden« – »Das glaub’ ich nicht, gnädigster Herr,« erwiderte Mirzoza. »Und ich bürge Ihnen dafür. Sie werden die Kleinode unterhaltend finden, so unterhaltend, daß Sie sich nicht erwehren können, Ihnen Gehör zu geben. Was sagen Sie, wenn ich sie Ihnen als Abgesandte zuschicke? Die Langeweile ihrer Reden will ich Ihnen ersparen, wenn Sie es wünschen; aber die Erzählung ihrer Begebenheiten sollen Sie aus ihrem Munde erfahren, oder aus dem meinigen. Der Entschluß steht fest, davon geh ich nicht ab. Lassen Sie es sich also angelegen sein, mit den neuen Sprechern vertraut zu werden.« Darauf umarmte er sie, ging in sein Kabinett, überdachte den Versuch, den er angestellt hatte, und zollte dem Genius Cacufa seinen andächtigen Dank.
    Am andern Abend gab Mirzoza ein kleines Nachtmahl. Die Gäste versammelten sich zeitig in ihrem Gemach. Man war gern bei ihr, bevor sich das Schreckenszeichen des vorherigen Abends ereignete, für heute fand man sich ein, weil man es nicht ändern konnte. Alle Damen sahen verlegen aus und sprachen nichts als einzelne Worte. Sie saßen auf der Lauer und erwarteten jeden Augenblick, es werde sich irgendein Kleinod ins Gespräch mischen. Allen wässerte der Mund, Alcinens Unglück aufs Tapet zu bringen, aber keine wagte davon anzufangen. Nicht als ob ihre Gegenwart jemanden zurückgehalten hätte; denn sie blieb aus, obwohl eingeladen. Man vermutete, daß sie Kopfschmerzen habe. Endlich aber, sei es, daß man vielleicht die Gefahr weniger fürchtete, weil man den ganzen Tag hindurch nur Mäuler hatte reden hören, oder daß man sich nur dreist stellte: Das Gespräch, das einzuschlafen drohte, belebte sich auf einmal, sehr verdächtige Frauenzimmer bekamen wieder Haltung und Sicherheit, und Mirzoza fragte den Hofmann Zegris, ob es nichts Neues gebe: »Gnädige Frau,« antwortete Zegris, »die Vermählung des Aga Chazur mit der jungen Siberine, wovon man Ihnen Mitteilung gemacht hatte, ist rückgängig gemacht worden.« »Warum?« fragte die Favorite. – »Chazur will eine sonderbare Stimme am Nachttisch seiner Dame vernommen haben. Seit gestern wimmelt der Hof von Leuten, die die Ohren spitzen, um, ich weiß nicht was für Geständnisse zu erhaschen, die man gar keine Lust hat ihnen mitzuteilen.«
    »Das ist ja toll,« sagte die Favorite. »Alcinens Unglück, wenn es überhaupt eins ist, ist noch gar nicht erwiesen. Noch hat man nicht ergründet …«
    »Gnädige Frau,« unterbrach sie Zelmaide, »ich habe Wort für Wort verstanden. Sie sprach, ohne den Mund aufzutun. Ihre Reden waren sehr deutlich. Auch ließ sich leicht erraten, woher diese befremdliche Stimme kam. Ich gestehe Ihnen, widerführe mir dergleichen, ich wäre auf der Stelle tot.«
    »Tot?« versetzte Zegris. »Man überlebt wohl ärgere Dinge.« »Ärgere?« rief Zelmaide. »Was kann ärger sein, als wenn ein Kleinod zu schwatzen anfängt? Alsdann ist kein andrer Rat. Man darf entweder keinen Liebhaber mehr haben, oder man muß sich gefallen lassen, daß die ganze Welt diesen Liebhaber kennt.«
    »Die Wahl ist wirklich traurig,« sprach Mirzoza. »Nein, gnädige Frau,« versetzte eine andre, »nicht so traurig, daß man sich endlich nicht darein finden könnte. Man läßt die Kleinode schwatzen soviel sie wollen, und geht seinen
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