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Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Titel: Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)
Autoren: Denis Diderot
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Hoheit doch an Fatime,« versetzte die Sultanin, »sie ist verbuhlt und häßlich.« – »Ja wohl,« nahm der Sultan das Wort, »so häßlich, daß nur eine solche böse Zunge, wie die Ihrige, sie beschuldigen kann, sie sei verliebt. Fatime ist die Keuschheit selbst, das sag’ ich Ihnen, ich weiß was ich sage.« »Ihre Hoheit haben zu befehlen,« erwiderte die Favorite, »aber Fatimens Katzenaugen sagen das Gegenteil.« – »So lügen ihre Augen«, antwortete der Sultan, etwas ärgerlich. »Ich mag nichts weiter von Fatimen wissen. Dem Himmel sei Dank, sie ist nicht das einzige Kleinod, das sich ausfragen läßt.« – »Darf man denn, ohne Ihre Hoheit zu beleidigen,« sprach Mirzoza, »sich erkundigen, welches Sie mit Ihrer Wahl beehren werden?« – »Das wird sich bald zeigen,« sagte Mangogul, »wenn sich der Hof bei der Mamimonbanda versammelt. (Das ist im Congo der Name der Großsultanin.) Da soll es uns so leicht nicht fehlen, und werden die Hofkleinode langweilig, so machen wir die Runde durch Banza. Vielleicht finden wir die der Bürgerinnen gescheiter als die der Herzoginnen.« »Gnädigster Herr,« antwortete Mirzoza, »ich kenne alle beide; ich kann Ihnen versichern, es ist kein Unterschied unter ihnen, als das jene etwas vorsichtiger sind.« »Das wollen wir bald erfahren,« erwiderte Mangogul. »Aber ich muß lachen, wenn ich mir vorstelle, wie verlegen und erstaunt alle diese Frauen sein werden bei dem ersten Wort, das ihr Kleinod ausspricht. Ha! Ha! ha! Vergessen Sie nicht, Freude meines Herzens, daß ich Sie bei der Groß-Sultanin erwarte, daß ich meinen Ring nicht eher gebrauche, bis Sie da sind.« »Nur, gnädigster Herr,« sagte Mirzoza, »vergessen Sie auch nicht, was Sie mir versprochen haben.« Mangogul lächelte über ihre Besorgnis, gab ihr aufs neue sein Ehrenwort, begleitete es mit einigen Liebkosungen, und verließ sie.
    Mangogul ging früher als gewöhnlich zur Großsultanin. Alle Damen saßen am Spieltisch. Er überlief mit seinen Augen diejenigen, deren guter Name fest gegründet war, entschloß sich seinen Ring an einer unter ihnen zu versuchen, und war nur verlegen über die Wahl. Noch stand er ungewiß, mit wem er beginnen sollte, als er eine junge Hofdame Mamimonbandas am Fenster gelehnt erblickte. Sie neckte sich mit ihrem Gemahl. Das befremdete den Sultan. Denn sie waren seit mehr als acht Tagen verheiratet. Sie hatten sich in einer Loge in der Oper gezeigt, sie waren in einem Wagen zum kleinen Korso, ins Bois de Boulogne und den Prater gefahren, sie hatten gemeinschaftliche Visiten beendet, und nunmehr erlaubte ihnen das Herkommen, sich nicht mehr zu lieben, ja nicht einmal zu begegnen. »Ist das Kleinod«, dachte Mangogul bei sich, »ebenso toll als seine Gebieterin, so werden wir ein erfreuliches Selbstgespräch vernehmen.« Indem erschien die Favorite. »Willkommen,« raunte der Sultan ihr zu, »ich habe unterdessen mein Netz ausgeworfen.« »Nach wem?« fragte Mirzoza. »Nach den Leuten, die Sie dort am Fenster mitsammen albern sehn,« antwortete ihr Mangogul mit zwinkernden Augen. »Ein schöner Anfang,« versetzte die Favorite.
    Alcine, so hieß die junge Dame, war lebhaft und reizend. Wenige Frauenzimmer des großherrlichen Hofes waren liebenswürdiger, keine hatte mehr Liebhaber. Ein Emir des Sultans hatte sie sich in den Kopf gesetzt. Was die Lästerzungen von Alcinen verbreiteten, blieb ihm nicht verborgen; es machte ihn stutzig, aber er beobachtete das Herkommen: er fragte seine Geliebte, was er davon denken sollte? Alcine schwur ihm, diese Verleumdungen wären die Rache einiger Gecken, die stumm geblieben wären, wenn sie Gründe gehabt hätten zu reden; übrigens sei ja keiner von beiden gebunden, und sie überlasse es ihm, davon zu glauben, was ihm gut dünke. Der feste Ton dieser Antwort überzeugte den verliebten Emir von der Unschuld seiner Geliebten. Er schloß den Handel, und erhielt den Namen Gemahl mit allen seinen Vorrechten.
    Der Sultan drehte seinen Ring gegen sie. Ein Ausbruch lauten Gelächters, dessen sich Alcine, bei einigen abgeschmackten Reden ihres Gemahls, nicht hatte erwehren können, ward durch die Wunderkraft des Ringes plötzlich gehemmt, und unter ihren Röcken hervor vernahm man alsbald ein Gemurmel: »Endlich hab ich doch einen Titel. Das ist mir herrlich lieb. Rang geht eben über alles. Wer meinem ersten Rat gefolgt wäre, hätte etwas Besseres für mich gefunden, als einen Emir: aber ein Emir ist immerhin besser als nichts.« – Bei
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