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Die Geschichte eines Sommers

Die Geschichte eines Sommers

Titel: Die Geschichte eines Sommers
Autoren: Wingfield Jenny
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plötzlich Schritte hinter sich hörte. Sie wirbelte herum und schwang die unsichtbare Schaufel. Noble rannte, wild mit den Armen rudernd, direkt auf sie zu. Das Gelände, das er durchquerte, sollte eigentlich ein Minenfeld sein, aber Noble achtete nicht auf Minen. Swan stieß ein wütendes Gebrüll aus und knallte Noble ihre imaginäre Schaufel auf den Kopf. Der Schlag hätte ihn locker zur Strecke bringen müssen, doch er ging weder zu Boden, noch wälzte er sich im Todeskampf. Stattdessen packte er Swan, hielt ihr mit einer Hand den Mund zu und fauchte sie an, ruhig zu sein. Swan wehrte sich empört, konnte sich aber nicht befreien. Auch wenn Noble nicht wirklich cool war, war er zweifelsohne stark.
    »Ich hab … dich gerade getötet … mit einer Schaufel!«, brüllte Swan, doch unter Nobles Hand drangen nur erstickte und verzerrte Laute hervor. Bei jedem zweiten bis dritten Wort versuchte Swan ihm in die Finger zu beißen. »Du hättest … auf keinen Fall … überleben können. Das war … ein tödlicher Schlag … und das weißt du!«
    Bienville beobachtete das Geschehen wie ein weiser alter Mann und verstand immerhin so viel von Swans Worten, dass er ihr zustimmen musste.
    »Natürlich war das ein tödlicher Schlag.«
    Noble verdrehte die Augen und drückte seine Hand noch fester auf Swans Mund. Sie wehrte sich wie verrückt. Ein tiefes Knurren drang aus ihrer Kehle.
    » PSCHT , hab ich gesagt!« Noble zerrte Swan auf ein Brombeergestrüpp zu, das zwischen der Weide und einem kleinen Waldstück verlief. Bienville rollte sich auf den Bauch und kroch über das Minenfeld hinter ihnen her. Als sie das Gestrüpp fast erreicht hatten, wurde Noble klar, dass er ein Problem hatte. Er musste Swan loslassen, doch das war wahrscheinlich so ähnlich, als würde man eine Wildkatze freilassen.
    Ganz ruhig sagte er: »Swan, ich lass dich jetzt los.«
    » ICHMCHDICHFTIG , DSCHWHUND !«, antwortete sie und biss ihm so fest in die Hand, dass er sie von ihrem Mund wegriss, um zu sehen, ob sie blutete. Der Bruchteil einer Sekunde war alles, was Swan brauchte. Sie rammte einen Ellbogen in Nobles Bauch, der sich daraufhin vor Schmerzen krümmte und keuchend nach Luft schnappte.
    »Verdammt noch mal, Swan«, stöhnte er, aber sie stürzte sich schon auf ihn. Noble rollte sich zusammen und ließ die Attacke über sich ergehen. Er kannte ein paar Indianertricks, zum Beispiel, wie man sich in einen Baum verwandelt. Einen Baum konnte man den ganzen Tag lang schlagen und treten, ohne dass es ihm wehtat, weil er völlig starr war. Das hatte er von Bienville gelernt, der das entweder irgendwo gelesen oder selbst herausgefunden hatte, und solange die Tricks funktionierten, kümmerte es Noble nicht, ob Bienvilles Geschichten wahr waren oder nicht.
    Swan hasste es, wenn Noble sich in einen Baum verwandelte. Das Kunststück gelang ihr einfach nie; sie würde niemals stillhalten und sich von jemandem verprügeln lassen. Außerdem machte es sie vollkommen fertig, gegen jemanden zu kämpfen, der sich nicht wehrte. Sie kam sich dann wie ein Verlierer vor, egal wie heftig sie zuschlug. Nichtsdestotrotz musste sie ihr Gesicht wahren, also versetzte sie Nobles hölzerner Schulter einen letzten Schlag und leckte dann ihre wunden Knöchel.
    »Ich hab gewonnen«, verkündete sie.
    »Na schön.« Noble entspannte seine Muskeln. »Du hast gewonnen. Und jetzt halt endlich den Mund, und komm mit.«
    John Moses saß unter einem Baum, reinigte seine Schrotflinte und redete mit Gott.
    »Und noch etwas«, sagte er gerade, »die Sache mit dem Roten Meer, das sich geteilt hat, damit die Leute trockenen Fußes hindurchziehen konnten, das glaub ich dir nicht.«
    Für jemanden, der nicht an Gott glaubte, redete John sehr viel mit ihm. Ob Gott jemals zuhörte, das war jedoch fraglich. Während seiner Monologe war John nämlich meistens betrunken, und was er sagte, war nicht gerade schmeichelhaft. Schon seit Langem war er richtig wütend auf Gott. Die Wut hatte angefangen, als Walter in der Ferguson-Mühle in das Sägeblatt geraten war.
    John zog gerade ein Stück Kordel vorn aus dem Lauf seiner Schrotflinte. Am Ende der Kordel hing ein öliger Baumwolllappen, der grauschwarz war, als er wieder hervorkam. Mit wütendem Blick schielte John in den Lauf.
    »Du erwartest von uns, dass wir an die dämlichsten Sachen glauben«, sagte John. Er sprach in normaler Lautstärke, als säße Gott einen halben Meter von ihm entfernt.
    »Zum Beispiel an diesen ganzen Kram, dass
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