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Die geraubte Braut

Die geraubte Braut

Titel: Die geraubte Braut
Autoren: Jane Feather
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brannten tief in den Höhlen, jeder Zoll Haut schmerzte, und das schreckliche Verlangen nach Brandy drohte ihn zu verzehren, so dass er aufschrie. Es war ein so schwacher Laut, dass die Alte sich nicht einmal vom Feuer umdrehte.
    Die Tür öffnete sich. Ein Kälteschwall fegte durch die abgestandene Luft und ließ die Rauchschwaden tanzen. Das Mädchen, das die Tür mit einem Fußtritt schloss, war dünn und schmächtig, strahlte aber eine nervöse Energie aus, die die Dumpfheit der Hütte zu beleben schien.
    »Da ist der Brandy, Jack.« Sie trat an den Strohsack und kniete nieder, um eine kleine Lederflasche unter ihrem abgetragenen Mantel hervorzuziehen. Der säuerliche Geruch alten Brandys und verfaulenden Fleisches, der von dem Mann und seinem Elendslager ausging, ließ sie die Nase rümpfen. Dennoch schob sie einen Arm unter seinen dünnen Nacken und hob ihn an, wobei sie den Korken mit den Zähnen herauszog. Ihr Vater zitterte so heftig, dass sie es kaum schaffte, ihm die Flasche an die Lippen zu halten. Seine Zähne schlugen aufeinander, seine leblosen Augen glotzten sie aus seinem hageren Antlitz an.
    Er nahm ein paar Schlucke von dem scharfen Zeug, und als das Gesöff durch seine Kehle rann, ließen die Schmerzen ein wenig nach, das Zittern wurde schwächer, und er vermochte die Flasche in seiner klauenartigen Hand zu halten und sie bis zum letzten Tropfen selbst an die Lippen zu führen.
    »Verdammt, nie ist es genug!« fluchte er. »Warum hast du nicht mehr gebracht, Mädchen?«
    Portia, die vor ihm kauerte, betrachtete ihren Vater mit einer Mischung aus Widerwillen und Mitgefühl. »Mehr konnte ich nicht bezahlen. Falls du es vergessen hast – es ist lange her, seitdem du zum Unterhalt der Familie beitragen konntest.«
    »Unverschämtheit!« knurrte er und schloss die Augen. Er lag so reglos da, dass Portia schon glaubte, der Tod hätte ihm endlich Frieden gebracht. Nach einer Weile aber öffneten seine Augen sich zuckend. Speichel benetzte seine Lippen inmitten seines dichten und struppigen grauen Bartes. Schweiß stand auf seiner wächsernen Stirn und perlte ihm über die hohlen Wangen.
    Portia wischte ihm das Gesicht mit dem Mantelzipfel ab. Ihr Magen war so leer, dass es schmerzte und dass ihr immer wieder schwindelte. Sie stand auf und ging ans übelriechende Feuer. Ast das Porridge?«
    »Ja, was sonst?«
    »Ja, was sonst«, wiederholte sie und ließ sich auf dem Boden neben dem Kessel nieder. Früh an Anspruchslosigkeit gewöhnt, löffelte sie den wässrigen Brei so eifrig in eine Holzschüssel, als wäre er eine Köstlichkeit von der königlichen Tafel.
    Es war ein dünnes, wenig sättigendes Gemisch, das ihren Hunger nicht stillte. Vor ihrem geistigen Auge tauchten verlockende Bilder von Brot und Käse auf, doch das wenige, das sie im Schankraum der Rising Sun verdiente, indem sie Ale zapfte, Derbheiten gebührend beantwortete und unverschämte Finger. an ihrem Körper geflissentlich übersah, solange ihr eine Münze in den mageren Ausschnitt geschoben wurde, ging für die verzehrende Sucht ihres Vaters drauf. Es war eine Sucht, die ihn langsam tötete.
    »Port … Portia!« Er stieß ihren Namen hervor, und sie beugte sich über ihn. »In meiner Kassette … ein Brief … suche ihn … rasch.« jedes Wort hörte sich an, als würde es ihm unter Folterqualen entrissen.
    Sie holte die kleine Lederkassette, ihren einzigen Besitz neben den Lumpen, die sie am Leib trugen, und brachte sie ihrem Vater. Da sie den Inhalt kannte, hielt sich ihre Neugierde in Grenzen, als sie die Kassette öffnete. Alles, was einigen Wert hatte, war längst verkauft worden, um Brandy zu erstehen.
    »Hinter … hinter der Seide.«
    Sie schob ihre Finger unter das dünne Futter und stieß gegen ein steifes Pergament, das sie hervorzog und ihrem Vater reicht.
    »Wenn ich nicht mehr bin, dann musst du zu …« Ein Hustenanfall hinderte ihren Vater am Weitersprechen, und als er sich beruhigt hatte, lag er erschöpft da und brachte kein Wort mehr heraus. Nach einer Weile aber setzte er unter Portias besorgten Blicken seine schmerzhaften Bemühungen fort. »Schicke es nach Lammermuir, nach Castle Granville. Lies die Adresse.«
    Portia wendete das versiegelte Pergament in ihrer Hand. »Was ist das? Was steht darin?«
    »Lies die Adresse!«
    »Castle Granville, Lammermuir, Yorkshire.«
    »Schick es mit der Post ab, wenn ich tot bin.« Seine Stimme verstummte, doch seine Hand tastete nach ihr, und sie hielt sie fest. »Das ist
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