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Die geraubte Braut

Die geraubte Braut

Titel: Die geraubte Braut
Autoren: Jane Feather
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Romantik?« fragte Portia achselzuckend, worauf Phoebe sie mit einem kleinen, dankbaren Lächeln bedachte.
    »Gelehrte sind nicht romantisch«, wandte Olivia ein. Sie runzelte die Stirn so angestrengt, dass ihre Brauen über den tiefliegenden dunklen Augen fast zusammenstießen. Dann seufzte sie. »l-ich muss jetzt zurück zum Fest.« Sie steckte den geflochtenen Ring in ihr Taillentäschchen. Wie um sich Mut zu machen, fasste sie mit einer sachten, nachdenklichen Geste nach ihrem Handgelenk, an dem eine dünne Blutspur zu sehen war, und ging zur Tür.
    Als sie öffnete, drang der Lärm von der City über den Fluss und in die dunkle Abgeschiedenheit des Bootshauses, so ungezügelt und wild, dass Olivia ein Schauer überlief. »K-könnt ihr verstehen, was gerufen wird?«
    »Sie rufen: ›Der Kopf ist ab! Der Kopf ist ab!‹« sagte Portia wissend. »Eben wurde der Earl of Strafford hingerichtet.«
    »Warum?« fragte Phoebe.
    »O Gott, weißt du denn gar nichts?« So viel Unwissenheit war Portia unbegreiflich. »Strafford war der engste Ratgeber des Königs. Das Parlament widersetzte sich dein König und brachte den Earl vor Gericht. Eben wurde er enthauptet.«
    Olivia spürte, wie sich ihre Kopfhaut zusammenzog, als das blutrünstige, brutale Gejohle des triumphierenden Pöbels die milde Mailuft durchdrang und die Rauchsäulen der Freudenfeuer, entzündet, um den grausamen Tod eines Menschen zu feiern, dicht und erstickend über der City und den umliegenden Stadtteilen aufstiegen.
    »Jack sagt, dass ein Bürgerkrieg bevorsteht«, fuhr Portia fort, die ihren Vater immer zwanglos bei seinem Vornamen nannte. »Meist behält er recht in diesen Dingen'.«
    »Einen Bürgerkrieg darf es nicht geben!« Olivia sagte es mit Entsetzen.
    »Man wird sehen«, meinte Portia achselzuckend.
    »Ich wünschte, er würde gleich jetzt ausbrechen, damit ich nicht zurück zum Fest muss«, sagte Phoebe verdrossen. »Kommst du mit, Portia?«
    Portia schüttelte den Kopf »Geht nur«, sagte sie mit einer brüsken Handbewegung. »Für mich ist auf dem Fest kein Platz.«
    Phoebe folgte Olivia nach kurzem Zögern, den Ring fest in der Hand.
    Portia blieb allein in Gesellschaft der Spinnweben zurück. Sie bückte sich nach dem Stück Ingwerkuchen, das Phoebe über den Ereignissen der letzten halben Stunde vergessen hatte, und knabberte langsam und mit Appetit daran, um den Genuss voll auszukosten, während die Schatten länger wurden und das laute Getöse aus der City und das fröhliche Treiben im Haus mit dem Sonnenuntergang verklangen.

Prolog
    Rothbury House, Yorkshire, England, 1617
    »Mylord, sie kommen!«
    William Decatur, Earl of Rothbury, blickte von dem Pergament auf, das er beschrieb, und legte seinen Federkiel sorgsam über das silberne Tintenfass. Seine Augen, von so leuchtendem Blau wie ein Blitz am Sommerhimmel, schienen durch den Boten hindurchzusehen. »Wie weit sind sie?«
    »Eine Meile hinter mir, Mylord … sie reiten schnell.« Der nach Schweiß und Pferd riechende Bote wischte sich mit einem fleckigen Tuch über die Stirn. Der Earl schüttete Sand aufs Pergament, ließ Wachs aus einer brennenden Kerze neben seine Unterschrift fließen und drückte seinen Siegelring hinein. Ohne Eile schob er seinen geschnitzten Eichenstuhl zurück und erhob sich. Seine Haltung verriet nichts. »Wie viele sind es?«
    »Mindestens ein Bataillon, Sir. Kavallerie und Infanterie.«
    »Wer führt das Kommando?«
    Der Bote zögerte.
    »Wer führt das Kommando?« Die Frage kam scharf wie ein Musketenschuss.
    »Sie führen das Banner der Granville, Sir.«
    William Decatur atmete unhörbar aus.
    Hinter dem Boten öffnete sich leise und zögernd eine Tür, doch die Frau, die eintrat, war weder leise noch zögernd. »Sie kommen also?« Ihr Blick hing mit schmerzlicher Eindringlichkeit am Earl. »Sie kommen, um uns aus unserem Haus zu weisen, so ist es doch, Mylord?«
    »Ja, Clarissa, so ist es.« Der Blick ihres Gemahls war undeutbar, als er auf der Frau mit dem braunen Haar und dem Knaben ruhte, der mit großen Augen neben ihr stand. Das Kind, das Clarissa unter dem Gürtel mit dem großen Schlüsselring trug, verriet sich nur durch eine leichte Rundung ihrer Mitte. Eine Hand ruhte auf ihrem Leib, die andere auf der schon kräftigen Schulter ihres Sohnes, unbewusst das geborene und ungeborene Leben schützend.
    »Sie werden dich mitnehmen«, sagte sie. Es war ihr anzusehen, wie viel Mühe es sie kostete, so ruhig zu sprechen. »Und was soll aus uns
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