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Die geprügelte Generation

Die geprügelte Generation

Titel: Die geprügelte Generation
Autoren: Ingrid Müller-Münch
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körperliche Einwirkung einen gewissen Grad an Intensität aufweist, der allerdings bei einer Ohrfeige erreicht wird«, interpretierte der Jurist und Wissenschaftler Kai-D. Bussmann das neue Gesetz.
    Eltern begehen somit eine strafbare Körperverletzung nach § 223 Strafgesetzbuch, wenn sie mit Gewalt auf ihre Kinder einwirken. Für Eltern gelten nunmehr auch in der Beziehung zu ihren Kindern die gleichen Grenzen wie allgemein in der Gesellschaft. Eine Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft erfolgt jedoch nur in gravierenden Fällen und auf sie wird insbesondere dann verzichtet, wenn zur Unterstützung der Familie sozialpädagogische, familientherapeutische oder andere unterstützende Maßnahmen vorgenommen werden.

Nachtrag: Simon spricht mit mir
    Gespräch der Autorin mit einem Jugendlichen, 16 Jahre alt, einem Kind von 68er Eltern, denen in den 50er und 60er Jahren zu Hause noch Zucht und Ordnung eingebläut wurde und die es besser machen wollten.
     
    Hallo Simon, darf ich Dich mal stören?
    Muss das sein? Jeeetzt? Ätzend! Ich bin gerade im vierten Level, da verlier’ ich alle Punkte, wenn ich jetzt einfach aussteige. Geht gar nicht!
     
    Komm, sei nicht so, dreh Dich mal zu mir um.
    Kann ich nicht einfach so sitzen bleiben?
     
    Ne, kannst Du nicht. Ich will ja mit Dir reden und nicht mit Deinem Rücken. Du hast es mir versprochen. Außerdem hattest Du die Zeit vorgeschlagen.
    O. k., o. k.! Kein Stress! (Schaltet seinen Computer auf Wartemodus, nimmt die Kopfhörer runter und dreht sich zu mir um) Wat is’ gebacken?
     
    Wir wollten über Deine Eltern reden. Zum Beispiel darüber, ob die streng mit Dir waren.
    Streng? Na ja, find ich schon.
     
    Ja wirklich? Irgendwie hatte ich immer einen anderen Eindruck. Die haben Dir doch fast alles durchgehen lassen.
    Das meinst Du aber auch nur. Ganz lange durfte ich nur zwei Stunden am Tag Computerspielen. Das muss man sich mal vorstellen. Zwei Stunden. Da kriegste doch nix geregelt.
     
    Na gut. Was haben sie Dir sonst noch verboten?
    Verboten haben die viel. Einen eigenen Fernseher hab ich erst vor einem Jahr gekriegt. Und wenn ich hier in meinem Zimmer mal eine rauche, drehen die komplett durch. Und dann darf ich bis heute nicht am Wochenende über Nacht bei ’nem Kumpel scratchen. Die behaupten einfach, da würde ihnen zu viel gekifft. Haben die doch früher selbst. So’ne Tüten (macht eine ausschweifende Bewegung mit beiden Händen). Hat meine Mutter immer erzählt. Auf Jamaika. Aus Zeitungspapier. Und jetzt stellt se sich so an.
     
    Aber Du bist doch erst 16. Ich glaube, die hält Dich einfach für zu jung.
    Ätzend! (Sein Handy klingelt.) Sorry. … Cool … Coool … Kein Thema … See you. Sorry! (Zu mir gewandt). Ein Kumpel. War wichtig. Was gibt’s denn noch?
     
    Bist Du eigentlich mal geschlagen worden?
    Wie meinste das denn?
     
    Na ja, haben Deine Eltern Dich geprügelt?
    Ne, warum sollten sie?
     
    Vielleicht aus Wut? Weil Du nicht gehorcht hast?
    Hätten die nie gemacht. Ne, wirklich nicht. Halt! Doch einmal hat mir meine Mutter mal eine gescheuert. Ich erinner’ mich da kaum noch dran. Weiß das nur noch im Detail, weil sie das immer erzählt. Das war im Urlaub. Ich hatte sie gereizt und dann aus Wut irgendwas zu ihr gesagt. Jedenfalls muss sie mir eine geknallt haben. Mein Alter konnte es wohl nicht fassen. Fragte immer nur, warum hast Du das getan? Und sie konnte dazu nix sagen. Saß da wie ein Häufchen Elend. Und hatte, so sagt sie immer, komplett vergessen, was ich gesagt haben soll. Erst als das wohl ein paar Tage so hin und her ging und sie immer da saß wie dasSchlechte-Gewissen in Person, rutschte mir dann raus: Aber ich hab doch gar nicht »Nutte« zu Dir gesagt. Daran sieht man, wie dämlich ich damals noch war. Jedenfalls strahlte sie mich plötzlich an, zeigte mit dem Finger auf mich und brüllte los: Genau, das war’s, deshalb habe ich ihm eine geknallt. (Pause. Simon wippt auf seinem Schreibtischstuhl vor und zurück) Tja, mehr fällt mir nicht ein.
     
    Musstest Du denn viel im Haushalt tun?
    Das hab ich rechtzeitig zu verhindern gewusst. Früher sollte ich mal den Müll runterbringen. Die wollten das wohl als Regel einführen. Aber da hab ich mich gleich gegen gewehrt. Hab denen gesagt: Ich bin doch nicht Euer Haussklave. Das haben sie dann eingesehen und mich mit derlei ätzendem Kram in Ruhe gelassen.
     
    Womit haben sie Dich am meisten genervt?
    Zimmer aufräumen! (Blickt auf das Chaos von Büchern und Klamotten, das
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