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Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)

Titel: Die Geliebte des gelben Mondes (German Edition)
Autoren: Susanne Pilastro
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Kaiserstadt kündigte sich an. Nach etwas mehr als drei Wochen
hatten wir fast unser Ziel erreicht.
    Dongjing war die größte Stadt, die ich bis dahin
gesehen hatte. Überall waren Marktstände; das Treiben auf den gestampften
Straßen war bunt, laut und voller Geruch nach Essen und Menschen, die ihre
Waren in den Straßen anboten; überall war Trubel, doch die Kutsche bahnte sich
ihren Weg durch die Menschenmassen und kam einigermaßen zügig voran. Eine
gerade Straße führte auf den Palast zu, der von künstlich angelegten Seen
umgeben war. Kurz vor unserem Ziel überquerten wir eine lange Brücke, die zu
den Toren der kaiserlichen Anlage führte. Jetzt, so kurz vor dem Ziel,
versuchte Vater eine Unterhaltung mit mir zu führen.
    „Deine Mutter hat mir von deinen Sorgen erzählt.“
Es fiel ihm offensichtlich nicht leicht, Worte an mich zu richten. Er räusperte
sich und fuhr fort: „Ich bin ihr vielleicht kein guter Ersatz gewesen auf
dieser Reise, aber ich möchte dir noch einen wichtigen Rat geben.“ Er machte
eine kleine Kunstpause, bevor er weitersprach: „Achte darauf, dass du immer
kleine Schritte machst. Man muss nicht unbedingt sofort darauf aufmerksam
werden, dass deine Füße normal sind!“
    War das zu fassen? Alles hatte ich mir
gewünscht: ein Wort des Bedauerns oder eine Entschuldigung; vielleicht auch nichts dergleichen; aber sicherlich keinen Rat über die Art zu gehen!
     
    Die Kutsche fuhr durch das Tor und hielt am Fuße einer
Treppe. Vater stieg als erster aus. Er reichte mir seinen Arm und half mir, die
Kutsche zu verlassen. Der Boden schien lebendig und ich taumelte, als ich nach
langer Fahrt endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Auch Pjeng-Mi
musste sich kurz an der Kutsche festhalten.
    Schnell hatte ich mich wieder gesammelt und
stellte mich aufrecht hin; dann wandte ich mich der Treppe zu. Vor uns türmte
sich der kaiserliche Palast auf und ich machte mich gerade daran, die Stufen zu
erklimmen, als Vater meinen Arm festhielt und stumm auf eine Gruppe von
Menschen zeigte. Neben der Kutsche waren Diener mit einer Sänfte erschienen.
Sie stellten diese direkt vor mir ab und ich schaute verständnislos auf das
Gebilde aus Bambus. Reichverziert mit goldener und grüner Bemalung, zusätzlich
verhängt mit violetten Tüchern stand es da und ein Diener deutete mit einer
ausladenden Handbewegung auf den Innenraum, in dem sich ein mit feinen Stoffen
bezogener gepolsterter Sitz befand.
    „Steig ein, Tochter“, raunte Vater.
    „Warum? Ich kann doch hinaufgehen!“ Ich verstand
die Welt nicht mehr. Warum sollte ich mich die zugegebenermaßen vielen Stufen
hoch tragen lassen, wenn ich doch selbst laufen konnte?
    „Frag nicht! Steig ein und lass dich tragen! Wir
treffen uns oben.“ Vater warf mir einen strengen Blick zu, drehte sich um und
machte sich auf den Weg hinauf auf das Plateau. Pjeng-Mi griff mich am
Ellenbogen und drückte mich in Richtung Sänfte.
    Widerstrebend stieg ich in die Bambustrage ein.
    „Nach all der Zeit in der Kutsche hätte ich mich
sehr auf ein wenig Bewegung gefreut“, maulte ich.
    „Ihr müsst auf Euer Ansehen achten, Herrin. Es
schickt sich nicht für eine Frau am Hofe des Kaisers, herumzulaufen wie ein
Bauernmädchen.“
    „Wer hat Euch denn das gesagt?“
    Pjeng-Mi blickte etwas verschämt auf den Boden.
„Das hat mir Queng-Do erzählt.“
    „Aha. Queng-Do weiß so etwas natürlich“, feixte
ich. Wo war ich hier nur gelandet?
    „Geht jetzt!“ Pjeng-Mi schob mich erneut in
Richtung Sänfte. Ein letztes Mal blickte ich auf meine Zofe und sah dann nach
vorne – meiner Zukunft entgegen.
    Die beiden Träger setzten sich in Bewegung und ich
konnte sehen, wie Pjeng-Mi dem Zug nachsah, bevor sie in die Kutsche stieg und
vom Hof gefahren wurde.
     
    Auf dem Plateau angekommen, wartete bereits Vater
und half mir beim Aussteigen. Ich sah mich kurz um. Die Palastanlage schien
sehr groß zu sein, denn man konnte sie von hier aus zwar überblicken, aber
nicht bis zu ihrem Rande sehen. Unterhalb befand sich nun der große Platz, auf
dem eben noch meine Kutsche gestanden hatte. Ich wollte mich etwas länger
umsehen, als Vater mir einen leichten Stoß in die Seite gab. Vor uns baute sich
ein großes Tor auf, das von zwei Wächtern geöffnet wurde, als wir herantraten.
Heraus kam ein weiterer Wächter, der uns wortlos aufforderte, ihm zu folgen,
indem er sich vor uns verbeugte, uns dann den Rücken zuwandte und vorausging.
    Wir folgten ihm.
    Hinter uns
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