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Die gelehrige Schuelerin

Die gelehrige Schuelerin

Titel: Die gelehrige Schuelerin
Autoren: Ira Miller
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Haut, die im Sommer leicht bräunt. Mal falle ich auf, aber oft genug bin ich auch ganz unauffällig. Der Eindruck, den ich erwecke, hängt, glaube ich, von meinem Selbstvertrauen ab. Manchmal trete ich auf wie Mick Jagger, und manchmal fühle ich mich so lahm wie Gerald Ford.
    Wenn ich an einer Bartheke oder auf einer Party eine Frau treffe, die mir nicht attraktiv erscheint oder nicht mein Typ ist, bin ich entspannt, unbeeindruckt und prompt erfolgreich. Man muss wohl der große Spötter sein, immer über den Dingen stehen können und viele Brusthaare haben, die aus dem weitgeöffneten Oberhemd hervorquellen, um Glück bei Frauen zu haben, zumindest bei denen, die ich mag. Aber mir ist es unangenehm, Mr. Männlichkeit zu spielen. Ich spüre dabei immer genau, dass ich einen Typen vormache, der ich nicht bin, und der mir auch nicht gefällt.
    Auch in der Schule bin ich in Wirklichkeit der Macho. Das hängt mit meinem Image zusammen. Die Tatsache, dass ich die Macht habe, hinter dem großen Lehrertisch stehe und aller Augen auf mich gerichtet sind, dass ich aus einer gewissen Distanz heraus immer fremd bleibe und, wie gesagt, keine Schwäche preisgeben muss, verleiht mir die Aura, die den Rettungsschwimmer auf seinem luftigen Podest umgibt, von dem aus er
seinen
Strand überwacht.
    Die Mädchen in meinen Klassen mögen gern kontrolliert werden. Dadurch werde ich zu der älteren, begehrenswerten, wichtigen Person, von der sie träumen. Wäre ich einer ihrer Klassenkameraden, würden sie mich nicht einmal bemerken.
    Und manchmal gestalte ich den Unterricht so, dass er Spaß bringt. Das Klassenzimmer zu einem Ort wird, an dem sie sich entspannen können und Freude am Lernen haben. »Hey, Mr. Lester. Gutes Spiel, nicht wahr?«
    Adele Lewis schenkte mir ihr rundes Lächeln auf ihrem runden Gesicht über ihrem rundlichen Körper. Jeder schien sich in ihrer Nähe wohl zu fühlen, weil sie einen geradeheraus ansah und immer gelassen wirkte.
    »Kann man sagen«, antwortete ich. Die erste Hälfte war vorbei, und wir führten mit zwei Punkten Vorsprung. Ich hätte gern mitgeschrien und den Schiedsrichter ausgepfiffen, aber ich musste meine Rolle wahren.
    »Bis auf die Fehlentscheidung«, fügte ich deshalb sachkundig hinzu.
    Ein großer, sehniger Junge stieg über die Bankreihen. Wenn seine Pickel mal ausgeheilt wären, würde er sicher ein schönes, narbiges Gesicht bekommen,
    »Ich möchte Ihnen meinen Freund vorstellen – Lane Thomas. Er geht in Lake Hardy auf die Schule. Aber heute steht er natürlich auf unserer Seite.«
    Adele sah ihn ernsthaft, aber zärtlich an. Lane streckte die Hand aus und gab mir einen kräftigen Händedruck.
    »Freut mich, Sie kennen zu lernen.«
    »Mich auch.«
    »Ich habe ihm alles von unserem Unterricht erzählt, Mr. Lester. Von den Videoprojekten und den Collagen, die wir mit Ihnen gemacht haben. Lane hat mir gesagt, dass sein Lehrer sie immer nur Benjamin Franklin lesen lässt, sonst nichts.«
    Ich lächelte. Vermutlich hatte sie die Vormittagsstunde vergessen.
    »Sie sind der Beste, Mr. Lester.«
    Die Sirene ertönte um anzuzeigen, dass die zweite Halbzeit begann. Lane nahm Adele an die Hand und führte sie wieder nach unten.
    »Bis morgen«, rief sie noch über ihre Schulter zurück.
    Ich lächelte grüßend. Ich wollte mir ihre Schmeichelei nicht unter die Haut gehen lassen, aber sie tat gut.
    Die zweite Halbzeit war so turbulent wie die erste, aber schließlich rissen die Rebellen sich zusammen, und wir gewannen mit zwölf Punkten Vorsprung. Ich wartete, dass die Menge vor mir langsam die Halle verließ.
    Eltern freuten sich über einen hart erkämpften Sieg (ihr Sieg?), Schüler bildeten Gruppen, lachten, plapperten und planten, wo sie noch hingehen wollten, um Eis oder Hamburger zu essen. Wer hatte ein Auto?
    Die Kinder lebten in einer Art Teenypopperwelt – ein Rückgriff auf die fünfziger Jahre. Am Freitagabend ging alles zum Tanzen und Sonnabendnacht stiegen sie in ihre aufpolierten Autos und kreuzten die Hauptstraße rauf und runter, die von riesigen Scheinwerfern hell erleuchtet war, vorbei an diesem Kino, jenem Drugstore, und so weiter.
    Ich glaube, New York und die sechziger Jahre waren Schuld daran, dass meine Tennagerjahre so ganz anders verlaufen waren. Wir rauchten jeden Morgen vor der Schule Pot, brachen mit Vorliebe die Bekleidungsvorschriften, zuerst mit weit ausgestellten Jeans (die Mädchen in Miniröcken), später mit ausgeblichenen, ausgefransten und oft geflickten
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