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Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
Autoren: Katherine Pancol
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wirklich zu ihrer Welt zu gehören. »Ach, Geld allein macht auch nicht glücklich!«, sagte er oft.
    Er hatte ein ausgezeichnetes Gehalt, zwei zusätzliche Monatsgehälter am Ende des Jahres, eine gute Krankenversicherung und Anspruch auf Zeitausgleich für die Auslandsaufenthalte, der fast genauso lange dauerte wie sein Urlaub. Er war glücklich, wenn er nach Courbevoie zurückkehrte, in den Wohnblock, der in den Neunzigerjahren für junge Führungskräfte wie ihn gebaut worden war. Für Leute, die sich zwar noch keine Wohnung in Paris leisten konnten, aber auf dem gegenüberliegenden Seine-Ufer darauf warteten, in die besseren Viertel der Hauptstadt ziehen zu können, deren Lichter sie abends von Weitem sahen. Ein glitzernder Neonkuchen, der sie aus der Ferne spöttisch lockte. Der Zahn der Zeit hatte am Haus genagt, winzige Rostspuren zogen sich von den Balkonen herunter und verunzierten die Fassade, und das leuchtende Orange der Markisen war in der Sonne verblasst.
    Er kündigte sich nie vorher an, wenn er von seinen Reisen zurückkam. Er öffnete die Tür und hielt auf der Schwelle kurz inne, ehe er einen Pfiff ausstieß, der die anderen wissen ließ: »Ich bin wieder da!« Joséphine saß über ihren Geschichtsbüchern, Hortense rannte auf ihn zu und durchsuchte seine Taschen nach ihrem Geschenk, und Zoé klatschte Beifall. Zwei kleine Mädchen im Bademantel, die eine in Rosa, die andere in Blau, Hortense, die Hübsche, die Freche, die ihn um den kleinen Finger wickelte, und Zoé, die rundliche Naschkatze mit glattem Haar. Er beugte sich zu ihnen hinunter, nahm sie in die Arme und rief immer wieder: »Ach, meine Süßen! Ach, meine beiden Süßen!« Das war ihr Ritual. Manchmal verspürte er einen leisen Stich, einen Anflug von schlechtem Gewissen, wenn die Erinnerung an eine
andere Umarmung tags zuvor … doch dann zog er die Mädchen noch fester an sich, und die Erinnerung verflog. Er stellte sein Gepäck ab und widmete sich ganz seiner Rolle als Held. Er erfand Safaris und Treibjagden, einen verletzten Löwen, dem er mit dem Messer den Gnadenstoß gegeben hatte, eine Antilope, die er mit dem Lasso eingefangen hatte, ein Krokodil, das er k. o. geschlagen hatte. Sprachlos vor Bewunderung starrten sie ihn an. Nur Hortense wurde bald ungeduldig und fragte: »Und was ist mit meinem Geschenk, Papa? Wo ist mein Geschenk?«
    Eines Tages war Gunman & Co. aufgekauft worden; ihm wurde gekündigt. Von einem Tag auf den anderen. »So läuft das bei den Amerikanern«, hatte er Joséphine erklärt. »Montags bist du noch kaufmännischer Leiter und hast ein Büro mit drei Fenstern, und dienstags meldest du dich beim Arbeitsamt!« Er war also entlassen worden. Mit einer großzügigen Abfindung, die es ihm für eine Weile noch erlaubt hatte, die Raten für die Wohnung, die Schulkosten der Kinder, die Sprachaufenthalte, das Auto und den Winterurlaub zu bezahlen. Er hatte das Ganze mit philosophischem Gleichmut aufgenommen. Er war nicht der Erste, dem so etwas passierte, er war nicht irgendjemand, er würde schnell wieder Arbeit finden. Vielleicht keinen Superjob, aber doch eine Stelle … Nach und nach waren seine früheren Kollegen wieder untergekommen, hatten niedrigere Gehälter akzeptiert, weniger verantwortungsvolle Positionen, einen Umzug ins Ausland, er war der Einzige, der immer noch die Stellenanzeigen las. Inzwischen waren seine Ersparnisse aufgebraucht, sein Optimismus geriet ins Wanken. Vor allem nachts. Gegen drei Uhr wurde er wach, stand lautlos auf und ging ins Wohnzimmer, wo er sich einen Whisky einschenkte und den Fernseher einschaltete. Er legte sich aufs Sofa und zappte mit dem Glas in der Hand durchs Programm. Bisher hatte er sich immer sehr stark gefühlt, sehr clever, er hatte den nötigen Durchblick. Wenn er sah, wie Kollegen Fehler machten, sagte er nichts, sondern dachte nur: Mir wäre das nicht passiert! Ich kenne mich aus! Als er gehört hatte, dass die Firma verkauft werden sollte und Entlassungen drohten, hatte er sich gesagt, zehn Jahre bei Gunman & Co. sind eine ordentliche Absicherung, mich werden die nicht einfach vor die Tür setzen!
    Er hatte als einer der Ersten gehen müssen.
    Er war sogar der Allererste gewesen, der entlassen wurde. Wütend stieß er die geballte Faust in seine Hosentasche, und mit einem scharfen Reißen, das ihm körperliche Schmerzen bereitete, gab das Futter nach. Er verzog das Gesicht, schüttelte den Kopf und wandte sich zur Küche, zu seiner Frau, um sie zu
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