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Die geheimnisvollen Zimmer

Titel: Die geheimnisvollen Zimmer
Autoren: Sven Elvestad
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sehen, ob es glückt. Sie sind übrigens schlauer, als ich es erwartet hatte.«
    »Aber diese Arbeitsweise«, fuhr Krag unbeirrt fort, »würde zu großes Aufsehen erregen. Ich könnte zum Beispiel riskieren, daß mein guter Freund Bengt, Ihr edler Bruder, dadurch Argwohn schöpfen würde. Daher ist es meine Absicht, Ihre Festnahme auf eine andere, einfachere Art vorzunehmen.«
    Er näherte sich Jim, immer mit erhobenem Revolver.
    Jim ballte die Hände. Es waren zwei gewaltige behaarte Fäuste.
    »Ja, ich sehe sehr wohl, daß Sie Kraft haben«, sagte Krag mit unverändertem Gleichmut. Er sprach in leichtem Unterhaltungston, der von den rohen Ausbrüchen des anderen auffällig abstach.
    »Sie sind vielleicht auch Boxer?« fragte er.
    »Ob ich Boxer bin?« fragte Jim zurück. »Ich habe die kräftigsten schwarzen Boxer in Amerika zu Boden geschlagen. Hüten Sie sich.«
    Krag war nun ganz dicht bei ihm und sah, wie die groben Knöchel seiner Fäuste weiß wurden und zitterten. Ein Hieb von ihnen konnte einen Ochsen zur Strecke bringen. Krag aber blieb völlig ruhig. Er hielt den Revolver in der linken Hand.
    »Ach, wirklich?« sagte er. »Selbst Neger haben Sie überwunden? Ja, ich glaube fast, ich würde ein paar tausend Dollar auf Sie wagen.«
    Er maß ihn sachkundig von oben bis unten, wie ein sportinteressierter Lord sich die Boxer vor einem Wettkampf anzusehen pflegt.
    »Unerhörte Kräfte«, sagte er.
    Der andere wurde ein wenig verwirrt angesichts dieser merkwürdigen Erwägungen. Und das gerade war Krags Absicht. Er fuhr fort:
    »Unerhörte Kräfte, eine breite, starke Brust, viel Ausdauer, aber soweit ich es beurteilen kann, fehlt es Ihnen an Geschmeidigkeit und Schnelligkeit. Dazu kommt, daß Sie die allerneuesten, sich auf die Anatomie stützenden Boxergriffe nicht studiert haben. Was sagen Sie zum Beispiel zu diesem–-«
    Schnell wie ein Pfeil hatte Krag die rechte Faust unter des anderen Unterkiefer gestoßen – eine der empfindlichsten Stellen des menschlichen Körpers. Jims Gesicht wurde aschfahl, das Blut sickerte zwischen seinen
    Lippen hervor, und er sank der Länge nach zu Boden. Im Fallen zog er einen kleinen Tisch mit hinab.
    Krag achtete nicht auf Frau Hjelms hysterisches Geschrei. Er nahm ein Paar Handfesseln aus der Tasche, die innerhalb zweier Sekunden des anderen Gelenke umschlossen. Darauf benetzte er sein Taschentuch mit dem Inhalt einer kleinen Flasche, die er aus der Westentasche zog. Es war Chloroform. Er hielt das Taschentuch eine kleine Weile vor Jims Nase.
    »Nun ist er für mindestens eine Stunde unschädlich«, sagte er.
    Frau Hjelm sah ihn mit entsetzten Augen an.
    »Ist er auch nicht tot?« fragte sie.
    »Nein«, antwortete Krag lächelnd. »Er schläft nur. Er hatte heute einen unglücklichen Tag, der rote Jim Charter.«
    »O Gott, was werden die Leute sagen!«
    »Seien Sie beruhigt, Frau Hjelm«, sagte Krag – er stand bereits in Hut und Mantel. »Niemand soll erfahren, was hier vorgegangen ist. In einer Stunde werden wir den Burschen abholen, und Sie brauchen sich keine Sorge um ihn zu machen. Er befindet sich nun in der Welt der Phantasie ...«
    Krag ging.
    Als er sich dem Gutshause näherte, bemerkte er, daß Bengts Zimmer noch immer hell war. Der Polizeibeamte und Doktor Rasch erwarteten ihn mit Ungeduld. Der letztere fragte, ob er den geheimnisvollen Fremden erreicht habe.
    »Ja«, antwortete der Detektiv. »Ich habe ihn erreicht. Er liegt betäubt und gefesselt in der Villa der ›Modedame‹. Es ist nun bewiesen, daß er der Mörder des alten Aakerholm ist. Er heißt Jim Charter und ist Bengts Bruder.«
    Darauf berichtete Krag in aller Kürze den Vorgang bei Frau Hjelm und erteilte seine Anordnungen für das, was nun geschehen sollte.
    Er und der Polizeibeamte wollten Bengt verhaften, der, wie es schien, noch wach war und bei der Arbeit saß.
    Inzwischen sollte der Arzt mit den beiden Schutzleuten in den Park hinuntergehen und sorgfältig das alte Lusthaus durchsuchen, in dem Krag Jim Charter hatte verschwinden sehen.
    Es verhielt sich so, wie Krag es angenommen hatte: Bengt saß in seinem Zimmer und schrieb. Als der Polizeibeamte und Krag eintraten, wollte er gegen den letzteren als den vermeintlichen »Doktor Krag« auffahren. Der Beamte aber hielt ihn zurück, und Krag stellte sich nun als der vor, der er in Wirklichkeit war; als Detektiv Asbjörn Krag aus Kristiania.
    Bengt fragte, was sie wünschten, und als ihn der Beamte wegen Beteiligung an dem durch seinen
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