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Die geheimnißvolle Insel

Die geheimnißvolle Insel

Titel: Die geheimnißvolle Insel
Autoren: Jules Verne
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Alles rund umher verschwand im Abgrunde: der untere Kegel des Franklin-Berges, die granitenen Kiefern des Haifisch-Golfes, das Plateau der Freien Umschau, die Insel der Rettung, die Felsen des Ballonhafens, die Basalte der Dakkar-Krypte, die von dem Centrum der Eruption so weit entfernte, lange Schlangenhalbinsel. Von der Insel Lincoln sah man nur noch jenen beschränkten Felsen, der nun den sechs Colonisten und ihrem Hunde Top eine Zuflucht bot.
    Gleichzeitig fanden alle Thiere bei der Katastrophe ihren Untergang, die Vögel ebenso, wie die Vertreter der Fauna der Insel, alle wurden zerschmettert oder ertränkt, und auch den armen Jup hatte in irgend einer Felsspalte ein trauriger Tod ereilt.
    Wenn Cyrus Smith, Gedeon Spilett und die klebrigen das schreckliche Naturereigniß überlebten, so kam das daher, daß sie sich in’s Meer geworfen hatten, als es ringsum Felsenstücke hagelte.
    Wieder aufgetaucht, sahen sie Nichts, als in einer halben Kabellänge Entfernung jene Felsenanhäufung, auf die sie zuschwammen und sich dadurch retteten.
    Auf diesem nackten Felsen lebten sie seit neun Tagen. Einiger vor der Katastrophe aus den Vorrathskammern des Granithauses entnommener Mundvorrath, ein wenig Wasser, das sich vom Regen in einer Mulde des Felsens sammelte, das war Alles, was die Unglücklichen besaßen Ihre letzte Hoffnung, ihr Schiff, war zertrümmert worden. Sie hatten kein Mittel, dieses Riff zu verlassen, kein Feuer oder die Möglichkeit, solches zu erzeugen. Sie fühlten sich jetzt dem Untergange geweiht!
    An diesem Tage, dem 18. März, verblieb ihnen noch für zwei Tage etwas Nahrung, obwohl sie sich immer so weit als möglich einschränkten. All’ ihr Wissen, ihre Intelligenz vermochte in dieser Lage nicht zu helfen; sie standen allein in Gottes Hand.
    Cyrus Smith verhielt sich ruhig. Der nervösere Gedeon Spilett und Pencroff, bei dem ein versteckter Zorn glimmte, liefen auf dem Felsen hin und her. Harbert verließ den Ingenieur nicht und heftete seine Augen auf diesen, als erwarte er von ihm noch eine Hilfe, welche jener doch nicht gewähren konnte. Nab und Ayrton schienen in ihr Schicksal ergeben.
    »O, dieses Elend! jammerte Pencroff, hätten wir auch nur eine Nußschale, um nach der Insel Tabor überzusetzen! Aber nichts! Gar nichts!
    – Kapitän Nemo that wohl daran, vorher zu sterben!« sagte Nab.
    Die folgenden fünf Tage über lebten Cyrus Smith und seine unglücklichen Gefährten mit äußerster Sparsamkeit, und aßen nur so viel, um dem Hungertode zu entgehen. Ihre Entkräftung erreichte den höchsten Grad. Harbert und Nab begannen schon leise zu deliriren.
    Konnten sie unter diesen Verhältnissen wohl noch ein Fünkchen Hoffnung bewahren? Nein! Welche Aussicht auf Rettung hatten sie denn? Daß ein Schiff in der Nähe des Risses vorüber segle? Sie wußten ja aus langer Erfahrung, daß Fahrzeuge niemals diesen Theil des Großen Oceans besuchten. Sollten sie annehmen, daß die schottische Yacht gerade zu dieser Zeit von der Vorsehung gesendet ankäme, um Ayrton von der Insel Tabor abzuholen? Das hatte doch zu wenig Wahrscheinlichkeit für sich. Da es ihnen noch dazu nicht möglich geworden war, daselbst eine Notiz über den veränderten Aufenthaltsort Ayrton’s niederzulegen, so ließ sich voraussehen, daß der Commandant der Yacht nach vergeblicher Durchsuchung der Insel Tabor wieder auf’s hohe Meer zurückkehren und bald niedrigere Breiten erreichen werde.
    Nein! Jede Hoffnung auf Rettung verschwand ihnen; vor Hunger oder Durst mußten sie auf dem öden Felsenriffe gewiß eines elenden Todes sterben.
    Sie hatten sich schon halb leblos zu Boden gestreckt und das Bewußtsein für Alles, was um sie vorging, fast eingebüßt. Ayrton allein erhob mit der letzten Kraftanspannung den Kopf und warf einen verzweifelten Blick auf das öde, grenzenlose Meer …
    Da, es war am Morgen des 24. März, streckte Ayrton die Arme nach einem Punkte des Horizontes, erhob sich erst auf die Knie, dann vollständig, und schien mit der Hand ein Zeichen geben zu wollen …
    Ein Schiff war in Sicht der Insel! Es furchte nicht planlos das weite Meer. Das Riff schien sein Ziel zu sein, auf das es in gerader Linie zusteuerte und stärkeren Dampf gab. Die Unglücklichen hätten es schon seit einigen Stunden bemerken müssen, wenn ihnen die Kräfte nicht fehlten, den fernen Horizont zu beobachten.
    »Der Duncan!« rief Ayrton halblaut und sank bewegungslos zusammen.
    … … … … … … … … … … … … …
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