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Die Geheimnisse der Therapeuten

Die Geheimnisse der Therapeuten

Titel: Die Geheimnisse der Therapeuten
Autoren: Christophe André
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Georges’ Technik anzuwenden: Sobald die Angst auftauchte, würde ich denselben Gedankengang wiederholen.
    Letzten Endes musste ich nicht lange kämpfen. Nach etwa 24 Stunden stellte ich fest, dass die Angst fast weg war. Und sechs Tage nach der Konsultation rief Luc mich an, um mir mitzuteilen, dass es sich um ein harmloses Botriomykom handelte, eine gutartige Hautveränderung.

    Ein Schlüssel: das Akzeptieren der Emotion
    Wenn die Angst sich Ihrer bemächtigt, müssen Sie ihr das Interesse entgegenbringen, das sie verdient.
    Versuchen Sie nicht, an etwas anderes zu denken, sonst wird sie nur stärker.
    Manchmal lehren die Patienten uns den Beruf
    Aissa war 52, als sie mich wegen Angststörungen aufsuchte. Sie litt an der krankhaften Angst, einen Gehirntumor zu bekommen. Ihre Probleme reichten bis in die Kindheit zurück: Mit ungefähr neun Jahren hatte sie in ihrer Heimat mit ansehen müssen, wie Guerilleros ihren Vater erschossen. Zusammen mit ihren Geschwistern hatte sie die Revolution überlebt und war nach Frankreich geflüchtet. Ohne psychologische Betreuung hatte sie sich ein Universum gezimmert, das aus Kämpfen und Sichdurchschlagen bestand. Aissa hatte ein Studium absolviert und war mit einem Regierungsbeamten verheiratet. Sie hatte eine zwölfjährige Tochter.
    Die bohrende Angst vor der Krankheit
    Trotz einer vierjährigen Psychoanalyse war es ihr nicht gelungen, ihrer Ängste Herr zu werden. Als sie unter Kopfschmerzen litt, stellte sie sich vor, dass ein großer Tumor in ihrem Kopf wuchs. Sie geriet in Panik und bedrängte ihren behandelnden Arzt so lange, bis er ihr schließlich eine Kernspintomografie verschrieb. Nichts konnte sie davon abbringen: weder die beharrliche Weigerung des Arztes noch seine Drohung, dass die Kosten der Untersuchung nicht erstattet würden, noch das Risiko, dass der Arzt, an dem ihr sehr viel lag, sie nicht weiter behandeln würde. Die Untersuchung ergab, dass sie gesund war, was Aissa nicht davon abhielt, einige Tage später wieder in Panik zu geraten: »Und wenn der Radiologe nicht alles gesehen hat, wenn er den Apparat nicht richtig bedient hat, wenn ein Tumor in wenigen Tagen gewachsen ist, etc.?«
    Ein Teil der Arbeit des Therapeuten bei einer kognitiven Behandlung zielt darauf ab, dem Patienten zu helfen, seine Gedanken vom Emotionalen ins Rationale zu wenden. Anders gesagt: Der Patient wird angeleitet, den oder die angstauslösenden oder -begleitenden Gedanken zu identifizieren, um dann zu lernen, sie mit der Realität zu vergleichen. Die Gedanken des Angstpatienten kreisen um eine Gefahr. Seine gesamte Aufmerksamkeit richtet sich darauf, eine Bestätigung für diese Gefahr zu finden und Auswege zu suchen, um ihr zu entgehen, in einem so hohen Maße, dass er alles, was der befürchteten Gefahr widerspricht, übersieht. Im Fall von Aissa zog die übertriebene Aufmerksamkeit, die sie ihrem Körper schenkte, eine übermäßige Anspannung nach sich, die sich in Kopfschmerzen entlud. Sie ignorierte alle anderen möglichen Gründe und dachte nur noch an einen Tumor. Dieser Gedanke verstärkte ihre Angst. Um sich zu beruhigen, surfte sie oft im Internet. Die komplexe Beschreibung der Krankheiten und der Erfahrungsaustausch der Kranken untereinander verstärkte nur ihre Angst.
    Zwischen Glauben und Zuhören
    Die Leute im Umkreis ängstlicher Menschen sind so sehr daran gewöhnt, dass diese Menschen über Krankheiten klagen, die sich als imaginär entpuppen, dass sie ihnen schließlich kein Gehör mehr schenken und sich oft über sie lustig machen. Der Therapeut ist manchmal versucht, dasselbe Verhalten an den Tag zu legen. Wenn er seinem Patienten wortwörtlich glaubt, verstärkt er dessen Angst, und wenn er ihm nicht glaubt, läuft er Gefahr, den Kontakt zu ihm und damit seine Funktion als Therapeut zu verlieren. Ich beschloss, bei Aissa eine Haltung des wachsamen Zuhörens einzunehmen.
    Eines der ersten Argumente, über das wir sprachen, war die Häufigkeit von Hirntumoren. Sie sagte: »Es ist ganz normal, dauernd daran zu denken, denn im Fernsehen ist ständig die Rede davon (die Handy-Strahlung), und es gibt in der Bevölkerung viele Betroffene. Der Beweis ist, dass ich einige Fälle in meiner Umgebung kenne.« Meine erste Reaktion war der Gedanke, dass Aissa die Häufigkeit von Hirntumoren übertrieb. (Die Häufigkeit von Hirntumoren im
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