Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gefangenen des Korallenriffs

Die Gefangenen des Korallenriffs

Titel: Die Gefangenen des Korallenriffs
Autoren: Jurij Kusnezow
Vom Netzwerk:
hat.«
    »Wie sind Sie denn hierher auf die Irena gekommen?« fragte Vi, die sich endlich gefaßt hatte.
    »Ja, wenn wir das so genau wüßten«, erwiderte der Geologe. »Wir stammen aus ganz verschiedenen Gegenden der Erde und sind auf völlig unerklärliche Weise zu Ihnen gelangt. Nur eins ist bei allen gleich: Jeder von uns geriet in die Nähe eines großen Felsbrockens von graublauer Farbe, der ihn unwiderstehlich in sich einsog. Jetzt jedenfalls vereint uns die Tatsache, daß wir in eine fremde Gestalt schlüpfen müssen, wenn wir nicht unsichtbar bleiben wollen. Wir sind sonst nur Menschen mit Tarnkappen. Daher auch unser merkwürdiges Aussehen. Bestimmt ist unser Auftauchen für Sie nicht gerade angenehm.«
    Vi und Ol schauten sich verlegen an.
    »Wir haben uns noch nicht so richtig an unser Dasein als Gespenster gewöhnt und uns deshalb ziemlich dumm benommen«, fuhr Viktor Stepanowitsch fort. »Bitte entschuldigen Sie…«
    »Aber nicht doch, da gibt’s nichts zu entschuldigen!« fiel Ol ihm ins Wort. »Wir freuen uns immer über Gäste. Fühlen Sie sich wie zu Hause, und bleiben Sie hier, solange Sie wollen. Gewiß, im ersten Moment hat uns Ihr Aussehen schon ein bißchen schockiert, oder genauer die Tatsache, daß nichts davon zu entdecken war. Auch jetzt ist Ihr Äußeres… nun ja, recht ungewöhnlich. Doch da wir uns inzwischen miteinander bekanntgemacht haben, spielt das keine Rolle mehr.«
    »Eben weil wir nicht mehr unsichtbar bleiben, sondern uns richtig vorstellen wollten, sind wir in die Hüllen der erstbesten Spielsachen im Kinderzimmer geschlüpft«, erklärte der Geologe.
    »Da hat es der Krake wohl am besten getroffen«, sagte Vi. »Er brauchte gar nicht erst aus seiner Haut heraus.«
    Der Junge Kostja lachte:
    »Ich beklage mich ebenfalls nicht. Diese Vogelscheuche sieht doch ganz lustig aus.«
    »Und wie fühlst du dich, Kusmitsch?« fragte der Geologe seinen Gefährten. »Hast dir ja nicht gerade ein bequemes Kostüm ausgesucht.«
    »Ein armer Wicht beschwert sich nicht«, scherzte der Jäger. Dann fügte er hinzu: »Aber der Drache ist schon in Ordnung. Er macht was her und steht dem Herrn der Taiga – dem Bären – in nichts nach.«
    Kusmitsch drückte sich so aus, weil er aus Sibirien in Rußland stammte, wo es noch Bären in freier Wildbahn gab.
    »Außerdem scheint er genauso tolpatschig zu sein wie du«, fügte Viktor Stepanowitsch hinzu: »Zu Hause zerschlägst du ja auch das Geschirr.«
    »Scherben bringen Glück«, sagte Vi lächelnd.
    »Nun ja, und für mich ist in der Eile nur die Gestalt des Flugmolchs geblieben«, schloß der Geologe. »Aber wie heißt es doch so schön bei uns: Besser den ganzen Kringel als bloß das Loch davon!«
    Diese Worte erinnerten die Gäste wieder an die Erde und ihre verhängnisvollen Erlebnisse dort. Kostja war in der sogenannten Todesschlucht von seinem Papierdrachen mitgerissen worden und abgestürzt. Ein gewaltiger Stein, der aus dem Flüßchen Smorodinka ragte, hatte ihn eingesogen, so daß er in einen Tunnel gelangte. Dann spürte er, wie er mit einemmal körperlos wurde und sich gewissermaßen in zwei Jungen aufteilte. Der eine Junge blieb zurück, er aber wurde zur Irena katapultiert.
    »Ich sauste durch den Tunnel«, erzählte er, »doch der Ort, an dem ich schließlich herauskam, gefiel mir überhaupt nicht. Er war fast kreisförmig und glich einer riesigen Müllkippe mit einem Durchmesser von mehreren Kilometern. Ja wirklich! Dort herrschte ein schreckliches Durcheinander von Steinen, Häuserruinen, Eisenteilen, verrosteten Maschinen und anderem Zeug. Ein Gemisch aus Grau und Grün, denn dazwischen wuchsen auch Bäume, Büsche und Gras.
    Da ich, wie bereits erwähnt, keinen Körper mehr besaß, schwebte ich über diesem Gewirr und war alles andere als begeistert. Schließlich entdeckte ich ein Stück abseits ein Haus und einen kleinen Teich. Dort würde es mir eher gefallen, dachte ich, und siehe da – schon war mein Wunsch erhört. Eine unsichtbare Kraft trug mich zu dem Haus im Grünen.
    Ich staunte nicht schlecht. Wie sich herausstellte, konnte ich fliegen, wohin ich wollte! Andererseits sah ich nichts mehr von mir, spürte meine Glieder nur noch. Immerhin vermochte ich Arme, Beine und den Kopf ganz normal zu bewegen. Mit einem Wort, ich kam mir vor wie im Märchen: Jeder meiner Wünsche ging in Erfüllung, ich besaß Tarnkappe, Siebenmeilenstiefel und fliegenden Teppich in einem!«
    Kostja schwieg einen Augenblick, während die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher