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Die Gefangenen des Korallenriffs

Die Gefangenen des Korallenriffs

Titel: Die Gefangenen des Korallenriffs
Autoren: Jurij Kusnezow
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Gäste müssen ja annehmen, du hättest das Vergnügen mit so einem Gespenstersessel zum ersten Mal.«
    Das Wort vom Gespenstersessel erschreckte seine Frau erneut, so daß sie, wie von der Tarantel gestochen, wieder aufsprang. Doch die Schwerkraft siegte über ihre wackligen Knie, und sie sank in die weichen Polster zurück.
    »Wenn sie sich doch mal zu erkennen geben würden!« rief Vi aus.
    »Oder mit uns reden wollten!« sagte Ol.
    Bei diesen letzten Worten hatten beide den Eindruck, daß jemand im Zimmer seufzte. Aber nein, es waren einfach die Sesselfedern gewesen.

DIE GESPENSTER STELLEN SICH VOR
    Dennoch sollte der Wunsch von Vi und Ol kurz darauf in Erfüllung gehen. Die Tür des Kinderzimmers öffnete sich – und eine ganze Abordnung der größten Puppen und sonstigen Gestalten kam gelaufen, gekrochen oder sogar geflogen!
    Zuerst erschien, den Hut verwegen auf dem Kopf, der bereits erwähnte Scheuch aus dem Erdenzauberland. Er kam so stolz daher wie seinerzeit, als er mit dem Mädchen Elli aus Kansas, mit dem Eisernen Holzfäller und dem Tapferen Löwen in die Smaragdenstadt eingezogen war und sie später gegen die Holzsoldaten des bösen Urfin verteidigt hatte. Mit seinen blauen Augen im runden Strohgesicht schaute er Vi und Ol freundlich an. Erschrockener waren sie deshalb eigentlich über einen riesigen Kraken, der ihm folgte und seine Fangarme kreisförmig über den Boden gleiten ließ. Dabei gab es ein Geräusch, als würden die Schaufelräder eines alten Dampfers durchs Wasser scharren.
    Vi, die nicht wissen konnte, daß es sich um den Doppelgänger Prims aus dem Elmenland handelte, saß da, wie zur Salzsäule erstarrt.
    Auch der nächste Besucher flößte einigen Respekt ein. Es war ein Drache, dessen langgestreckter Körper auf kräftigen Beinen ruhte. Die gewaltigen Flügel waren gewiß nicht für die Wohnung gedacht, weshalb auch sofort eine hübsche Kristallvase daran glauben mußte.
    Der Geflügelte hätte ein Vetter des Zauberdrachen Oicho sein können, der zusammen mit Elli und ihrem Sohn Chris aus Kansas eine Menge Abenteuer erlebt hatte. Der Flugmolch dagegen, der als letzter hereinflatterte, stammte eindeutig von der Irena und hatte, gewissermaßen als Einheimischer, den anderen nur den Vortritt gelassen. Dieses Amphibienwesen erinnerte an einen großen Teigkringel und wirkte im Wohnzimmer gleichfalls ein wenig fehl am Platz.
    Vi machte Anstalten, angesichts dieser Invasion die Flucht zu ergreifen, Ol dagegen erholte sich ziemlich schnell von seiner Verwunderung. Er trat einen Schritt nach vorn und stellte sich schützend vor seine Frau.
    »Womit können wir dienen, Herrschaften?« fragte er.
    Der Scheuch nahm seinen Hut vom Kopf und verbeugte sich ungelenk:
    »Ich heiße Kostja und bin ein Junge von der Erde«, sagte er stockend.
    Vis Augen wurden kugelrund: »Na, ich weiß ja nicht – einen Jungen von der Erde stell ich mir anders vor!«
    »Trotzdem stimmt es«, erwiderte Kostja-Scheuch. »Aber wenn Sie wollen, kann ich auch in die Haut eines Löwen schlüpfen. Im Kinderzimmer gibt es ja einen…«
    »Nein, bloß nicht!« wehrte Vi erschrocken ab und dachte daran, daß der riesige Höhlenlöwe mit den gelben furchteinflößenden Augen in der Ecke von Violas Zimmer plötzlich zum Leben erwachen könnte. »Nein«, wiederholte sie, »so bist du mir wirklich sympathischer!«
    »Dagegen haben wir hier, wenn ich mich nicht irre, einen echten Tiefseekraken?« wandte sich Ol an den Achtfüßer, um abzulenken.

    Der Octopus nickte zur Bestätigung und gab so etwas wie ein Schnalzen von sich.

    »Ich bin der Jäger Kusmitsch!« meldete sich nun polternd der Drache zu Wort. »Bitte entschuldigen Sie vielmals, daß ich die Vase zerbrochen habe.« Und indem er mit dem Flügel auf den in der Luft hängenden Molch zeigte: »Ich wollte den Professor auf seinem Erkundungsgang zum Todeskap begleiten, und dort hat es uns erwischt.«
    »Viktor Stepanowitsch, Geologe und sehr an Exkursionen interessiert«, stellte sich daraufhin der Flugmolch selbst vor. Dann glitt er elegant auf den Fußboden herab und war ab da um Zurückhaltung bemüht. Als Gelehrter fühlte er sich äußerst unwohl in der Hülle dieses Flattergeschöpfs.
    Ol, der begriffen hatte, daß es sich hier um Doppelgänger aus dem Elmenland handeln mußte, sagte erleichtert:
    »Nun ja, damit hätten wir dann wohl Bekanntschaft geschlossen. Der erste Kontakt fällt immer am schwersten, weil man nicht weiß, was man voneinander zu halten
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