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Die Gedichte

Die Gedichte

Titel: Die Gedichte
Autoren: Rainer Maria Rilke
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kein Gebet ihm weihn:
Er wär als Mensch so göttlich groß geblieben,
und nun als Gott erscheint er menschlich klein! –
Ich sah empor, wo mit verdrehten Blicken
das bunte Bild am schlichten Kreuze hing.
Längst war es Tag – ich drehte ihm den Rücken
und trocknete die Tränen mir – – – und ging . . . . .

    〈AN VALERIE VON DAVID-RHONFELD〉
〈5. August 1894〉

    Du warst nie so, wie jene andern waren –
erwäge, ob es Lob – ob’s Tadel sei.
Von Vorurteil und niederm Denken frei,
war niemals noch dein Weg der Weg der Scharen.

    Du bist so stark. Du scheutest nicht Gefahren
und konntest stolz auch in des Lebens Strom
das heilge weiheduftige Arom
des edlen reinen Herzens dir bewahren.

    Dein süßer Kuß, der Duft, der deinen Haaren
entströmt, betäubt mich und berauscht mich schier;
doch erst dein dunkles Auge konnte mir
das Rätsel deines Wesens offenbaren.

    In schweren Stunden hab ich es erfahren
und unauslöschlich hab ichs eingeprägt
in dieses Herz – das dir für ewig schlägt:
Du warst nie so wie jene andern waren.

    * (René ist Hannibal, Feldherr der Karthager)

LARENOPFER
(1895)

IM ALTEN HAUSE

    Im alten Hause; vor mir frei
seh ich ganz Prag in weiter Runde;
tief unten geht die Dämmerstunde
mit lautlos leisem Schritt vorbei.

    Die Stadt verschwimmt wie hinter Glas.
Nur hoch, wie ein behelmter Hüne,
ragt klar vor mir die grünspangrüne
Turmkuppel von Sankt Nikolas.

    Schon blinzelt da und dort ein Licht
fern auf im schwülen Stadtgebrause. –
Mir ist, daß in dem alten Hause
jetzt eine Stimme ›Amen‹ spricht.

    AUF DER KLEINSEITE

    Alte Häuser, steilgegiebelt,
hohe Türme voll Gebimmel, –
in die engen Höfe liebelt
nur ein winzig Stückchen Himmel.

    Und auf jedem Treppenpflocke
müde lächelnd – Amoretten;
hoch am Dache um barocke
Vasen rieseln Rosenketten.

    Spinnverwoben ist die Pforte
dort. Verstohlen liest die Sonne
die geheimnisvollen Worte
unter einer Steinmadonne.

    EIN ADELSHAUS

    Das Adelshaus mit seiner breiten Rampe:
wie schön will mir sein grauer Glast erscheinen.
Der Gangsteig mit den schlechten Pflastersteinen
und dort, am Eck, die trübe, fette Lampe.

    Auf einer Fensterbrüstung nickt ein Tauber,
als wollt er durch den Stoff des Vorhangs gucken;
und Schwalben wohnen in des Torgangs Lucken:
das nenn ich Stimmung, ja, das nenn ich – Zauber.

    DER HRADSCHIN

    Schau so gerne die verwetterte
Stirn der alten Hofburg an;
schon der Blick des Kindes kletterte
dort hinan.

    Und es grüßen selbst die eiligen
Moldauwellen den Hradschin,
von der Brücke sehn die Heiligen
ernst auf ihn.

    Und die Türme schaun, die neueren,
alle zu des Veitsturms Knauf
wie die Kinderschar zum teueren
Vater auf.

    BEI ST. VEIT

    Gern steh ich vor dem alten Dom;
wie Moder weht es dort, wie Fäule,
und jedes Fenster, jede Säule
spricht noch ihr eignes Idiom.

    Da hockt ein reichgeschnörkelt Haus
und lächelt Rokoko-Erotik,
und hart daneben streckt die Gotik
die dürren Hände betend aus.

    Jetzt wird mir klar der casus rei;
ein Gleichnis ists aus alten Zeiten:
der Herr Abbé hier – ihm zuseiten
die Dame des roi soleil.

    IM DOME

    Wie von Steinen rings, von Erzen
weit der Wände Wölbung funkelt,
eine Heilge, braungedunkelt,
dämmert hinter trüben Kerzen.

    Von der Decke, rundgemauert,
schwebt ob eines Engels Kopfe
hell ein weißer Silbertropfe,
drin ein ewig Lichtlein kauert.

    Und im Eck, wo Goldgeglaste
niederhangt in staubgen Klumpen,
steht in Schmutz gehüllt und Lumpen
still ein Kind der Bettlerkaste.

    Von dem ganzen Glanze floß ihm
in die Brust kein Fünkchen Segen …
Zitternd, matt, streckts mir entgegen
seine Hand mit leisem: »Prosim!«

    IN DER KAPELLE ST. WENZELS

    Alle Wände in der Halle
voll des Prachtgesteins; wer wüßte
sie zu nennen: Bergkristalle,
Rauchtopase, Amethyste.

    Zauberhell wie ein Mirakel
glänzt der Raum im Lichtgetänzel,
unterm goldnen Tabernakel
ruht der Staub des heilgen Wenzel.

    Ganz von Leuchten bis zum Scheitel
ist die Kuppel voll, die hohle;
und der Goldglast sieht sich eitel
in die gelben Karneole.

    VOM LUGAUS

    Dort seh ich Türme, kuppig bald wie Eicheln
und jene wieder spitz wie schlanke Birnen;
dort liegt die Stadt; an ihre tausend Stirnen
schmiegt sich der Abend schon mit leisem Schmeicheln.

    Weit streckt sie ihren schwarzen Leib. Ganz hinten,
sieh, St. Mariens Doppeltürme blitzen.
Ists nicht: sie saugte durch zwei Fühlerspitzen
in sich des Himmels violette Tinten?

    DER BAU
(1)

    Die moderne Bauschablone
will mir wahrlich gar nicht
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