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Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Martina Kempff
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rückte an seinen Vater heran. Theodora streckte einen Arm aus, strich dem Knaben das lange schwarze Haar, das ihm wie immer wirr ins Gesicht hing, sanft aus der Stirn und sah von einem zum anderen.
    »Dein Sohn?«, fragte sie flüsternd.
    »So kann man das nicht sagen«, erwiderte Iosefos. »Auch deshalb sind wir hier.«
    Nach dem ersten Schreck setzte sich Isaak auf die Kaimauer. Er mühte sich, den Gestank, der vom brackigen Hafenwasser zu ihm aufstieg, zu ignorieren und dachte angestrengt nach. Es gab Ostrom, Westrom, das Frankenland, Spanien und zudem das ferne reizvolle China, das er noch nie aufgesucht hatte, aber gerne einmal bereisen wollte. Zwar beherrschte er die Sprache nicht, war aber zuversichtlich, in Konstantinopel einen Lehrer finden zu können, der ihm in wenigen Monaten das für seine Arbeit Erforderliche beibrachte. Wer sich, wie Isaak, in neun Sprachen verständigen konnte, hatte keine Angst, eine weitere zu erlernen. Nur die ersten beiden hatten ihm Mühen bereitet; auf deren Flügeln schienen die nachfolgenden schwerelos mitzuschwingen.
    Nein, es war keine Katastrophe, dass ihn der Baumeister sitzen gelassen hatte. Er konnte sein Geld überall verdienen. Er brauchte Bagdad nicht, auch wenn ihm die schönen Frauen, die schönen Gärten und die schönen Diskurse im Tempel der Weisheit fehlen würden.
    Aber er ärgerte sich maßlos. Yussuf hatte ihn übertölpelt. Das zehrte an seinem Stolz. Außerdem war er ein Mann, der zu seinem Wort stand. Und er hatte dem Kalifen versprochen, den Baumeister nach Aachen zu führen.
    Genau das würde er auch tun, beschloss er schließlich. Er zweifelte nicht daran, Yussuf in der riesigen Stadt aufspüren zu können, aber er musste mehr über den Baumeister in Erfahrung bringen, um ihn zur Erfüllung ihrer Mission nötigen zu können.
    Als Führer zwischen vielen Welten wollte und musste er verstehen. Nicht nur die Sprachen, sondern vor allem Menschen und ihre Beweggründe. Weshalb hatte Yussuf nach Jahrzehnten erfolgreichen und würdigen Lebens in Bagdad das Heimweh nach einer Stadt gepackt, die ihn in früheren Zeiten offenbar verstoßen hatte?
    Er rief sich Haruns Andeutungen ins Gedächtnis, wonach der Baumeister seinem ehemaligen Lehrer einst zur ewigen Seligkeit verholfen habe, ein kaum verhüllter Hinweis auf Mord. Also hatte Yussuf damals in Bagdad Zuflucht gesucht, weil er diesen Markarios ums Leben gebracht hatte. Warum? Schwer vorstellbar, dass jemand dem peniblen Baumeister einen Fehler nachgewiesen haben könnte und es darüber zum Streit gekommen war. Vielleicht war es um eine Frau gegangen? Oder um Geld? Einzelheiten konnte Isaak später herausfinden; zunächst war vorrangig, den Baumeister zu finden.
    Isaaks einzige Spur waren die Nachfahren des Markarios. Möglicherweise sannen sie immer noch auf Rache, ein Gefühl, das dem Fernhändler selbst fremd war, weil so uneinträglich, zeitraubend und gänzlich sinnlos. Aber unter Umständen konnte er sich jetzt die offene Rechnung anderer zunutze machen.
    Er sprang von der Kaimauer und beorderte Lastenträger zu sich. In seinem Kopf arbeitete es unaufhörlich weiter. Er wusste sich Informationen zu beschaffen, kannte sich nicht nur auf Märkten aus und war mit der Innenstadt von Konstantinopel recht vertraut. Es dürfte ihm also nicht allzu schwerfallen, die Nachkommen eines berühmten toten Baumeisters namens Markarios zu finden.
    Isaak deutete auf die bewusstlosen Leibwächter.
    »Schafft sie in die Herberge des Damianos«, sagte er zu den Lastenträgern. Als er seine beiden Maultiere von den Pfeilern losbinden wollte, an denen auch die Seile ihres kleinen Schiffes noch vertäut waren, fiel ihm erstmals die schon fast winterliche Farbe des Meeres auf. Er rief den Bootsführer und trat mit ihm in eine neue Verhandlung ein. Die ihn nicht nur aus Gründen der Zeitnot teurer zu stehen kam, als er sich sonst hätte bieten lassen. Nie zuvor hatte er so viel Geld für die Mitnahme seiner Maultiere zahlen müssen. Doch er hatte keine Wahl. Es wäre nahezu aussichtslos gewesen zu versuchen, einen anderen Kapitän aufzutreiben, der sich um diese Jahreszeit mit einem kleinen Schiff auf eine lange Fahrt über das unberechenbare Mittelmeer eingelassen hätte. Kopfschüttelnd dachte Isaak an die Nordmänner, die der Winter nicht davon abhielt, sich und ihren Schiffen mit dem einen störrischen Segel eine weitaus rauere See zuzumuten. Und die erheblich weniger Möglichkeiten hatten, schützende Inselhäfen
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