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Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Martina Kempff
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man auch das Licht der Wahrheit nicht auslöschen. Lasse also den König das Rätsel deines Auftraggebers lösen, wenn der Bau fortgeschritten ist. Über den anschaulichen Beweis, welch zuverlässiger Freund der Feind seiner Feinde in Ostrom und Spanien doch ist, wird er sich freuen. Und binnen weniger Jahre mit einer offiziellen Gesandtschaft nach Bagdad unsere Freundschaft sicherlich vertiefen wollen.«
    Yussuf solle sich in Aachen als jener Oströmer ausgeben, der er früher gewesen sei.
    »Nimm deinen alten Namen wieder an, nenne den deines Lehrers Markarios. Dessen Ruhm wird auch bis ins Frankenland gedrungen sein – schließlich war er der Erste, der sich seit Kaiser Justinians Zeiten in Konstantinopel wieder an die Aufgabe gewagt hat, eine Kuppel zu wölben.« Harun machte eine bedeutungsvolle Pause und verzog das Gesicht zu einem gekünstelten Bedauern. »Wie unselig für das stolze Ostrom, dass ausgerechnet dieses unvollendete Bauwerk dem armen Markarios zum Verhängnis geworden ist!«, setzte er schließlich hinzu. »Aber umso erfreulicher für uns. Hättest du deinem Meister nicht zur ewigen Seligkeit verholfen, wärst du in deiner Heimat zu Ruhm gekommen und hättest den Bau von tausend Kuppeln in meinem Land nie überwachen können. Und jetzt wirst du mit einer weiteren den hohen Norden und dessen König glücklich machen.«
    In die Augen des Baumeisters trat ein Leuchten.
    »Es freut mich, dass dir mein Plan behagt«, stellte Harun al Raschid fest. Er beauftragte den Kämmerer, den beiden Reisenden ein Vermögen und zwei wohlerprobte starke Leibwächter mitzugeben.
    Hätte der von seiner plötzlichen Idee so begeisterte Abbasidenherrscher die Kunst des Gedankenlesens beherrscht, wäre Yussuf auf der Stelle des Todes gewesen. In ihm keimte nämlich ein anderer Gedanke als der, den König des christlichen Westens mit einer Kuppel zu beglücken. Vom Kalifen höchstselbst mit reichlich Mitteln ausgestattet, gedachte er, die Reise in seiner alten Heimat Konstantinopel zu beenden und sich dort zur Ruhe zu setzen. Vor dem langen Arm des Kalifen fürchtete er sich nicht. Reisen, zumal in große Ferne, waren gefährlich. Es würden Jahre vergehen, ehe Harun erführe, dass sein alter Baumeister bedauerlicherweise schon unterwegs den Strapazen erlegen sei.
    Isaak hatte sich überrumpeln lassen. Nachdem sie den Euphrat bis Raqqa hinaufgefahren und über Aleppo am Hafen von Antiochia angekommen waren, hatte er Yussuf auf dessen Wunsch die Verhandlungen mit einem griechischen Bootsführer überlassen. Nach einigen Tagen fielen ihm die vielen seltsamen Inseln auf, die nicht nördlich, sondern westlich und östlich von ihnen auftauchten. Beim Einlaufen in den Hafen der Insel Leros stellte er Yussuf schließlich zur Rede.
    Der tat, als sei es völlig selbstverständlich, dass er sich in Konstantinopel mit Material und Mitteln versehen müsse, ehe sie weiterreisten.
    Zunächst alles andere als glücklich über den lästigen langen Umweg, überlegte Isaak, wie dieser auch ihm zum Vorteil gereichen könne. Der Kalif hatte auf ihren sofortigen Aufbruch gedrungen, was den Fernhändler daran gehindert hatte, in Bagdad seine beiden Maultiere mit Waren zu beladen. Rosenöl, Weihrauch aus Oman, Perlenmuscheln, bunte Seide, Pfeffer, Zimt, Muskat, Safran und Elfenbein würde er jedoch auch in Konstantinopel erstehen können.
    Aber Yussuf wollte nicht nach Aachen weiterziehen. Seine unerwartete Weigerung, dem Auftrag des Kalifen nachzukommen, versperrte Isaak die Möglichkeit, jemals wieder edle Waren nach Bagdad bringen oder sich auch nur in die Nähe des Abbasidenreiches begeben zu können. Verzweifelt sah er sich nach den Leibwächtern um, die ihnen der Kalif in weiser Voraussicht mitgegeben hatte. Doch er musste erkennen, dass von den beiden tapferen Recken keine Hilfe zu erwarten war. Vier Rudersklaven hoben die reglosen Männer wie nasse Säcke auf den Kai an eine Stelle, die ihnen der Baumeister anwies.
    »Da können sie ihren Rausch in Ruhe ausschlafen, ehe sie wieder heimkehren«, sagte er mit feinem Lächeln zum Bootsführer, dem er ein kleines Säckchen zusteckte. Dann wandte er sich an Isaak. »Allah wird ihnen gewiss verzeihen, dass sie ihrer Seekrankheit mit solch starkem Wein Herr zu werden versuchten; ob es der Kalif jedoch Allah gleichtut, wage ich zu bezweifeln, weshalb du ihnen raten solltest, anderswo eine Heimstatt zu suchen.«
    Das war der längste Satz, den der Baumeister je zu Isaak gesprochen hatte. Er
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