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Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)

Titel: Die Frau von Tsiolkovsky (German Edition)
Autoren: Harald Muellner
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bei dem Flug in diesem metallenen Dildo war noch nicht
einmal die Halbzeit erreicht. Flüge zum Mond waren wirklich die Hölle.
    »Träum nicht!«, rief Jane und ein spitzer Ellbogen im Kreuz riss
Gayle aus ihrer ausschweifenden Lethargie. Gayle ergriff den Gurt, an dem das
Bündel mit ihrem Raumanzug hing und schwebte gemeinsam mit den beiden anderen
in die Landefähre.
    »Seid ihr jetzt endlich soweit?« Blank und zum Bersten
gespannt schienen die Nerven ihres Ansprechpartners in Houston über dem Äther
zu hängen.
    »Roger!«, bestätigte Jane. »Wir verriegeln jetzt die Luke.«
    »Roger!«, antwortete der CapCom.
    »Der Arme ist so aufgeregt«, sagte Gayle, »er meinte
vermutlich ›Jane‹.«
    »Ganz bestimmt«, bestätigte Nicole und verdrehte die Augen.
    Nachdem die drei Damen in die Landefähre umgestiegen waren,
schloss Jane die Luke hinter sich und verriegelte sie mehrfach. »So, das hätten
wir.«
    »Fertig zum Abdocken?«, wollte der CapCom wissen.
    »Roger!«, antwortete Jane dienstlich.
    »Der heißt doch Martin, wenn ich ihn jetzt nicht mit einem
meiner unzähligen anderen …«, schaltete sich Nicole ein, um sofort wieder zu
verstummen.
    »Was?«, platzte Gayle überrascht heraus. »Diese schrecklich
quäkende Stimme aus dem Lautsprecher ist die von Martin? – dem süßen Martin?«
Ihre Augen strahlten in verklärtem Glanz.
    Ein Ruck ging durch die Landefähre.
    »Wir haben abgedockt, Martin.«
    »Roger«, bestätigte Martin. »Habt ihr auch nicht vergessen,
die Luke der Kommandokapsel zu verriegeln?«
    »Was ist denn das für eine Frage? Wofür hältst du uns denn?«
    Lang und ausgedehnt war die folgende Pause, die sich in den
Funkverkehr drängte – und die mit zunehmender Länge mehr und mehr an
Peinlichkeit gewann.
    »Natürlich ist die Luke zu«, sagte Gayle.
    »Ich meine aber nicht die der Landefähre, in der ihr euch
gerade befindet, sondern die der Kommandokapsel, von der ihr gerade abgedockt
habt?«
    »Ist das nicht toll?« Gayle stieß Nicole ihren Ellbogen in
die Rippen. »Hast du gewusst, dass die Kommandokapsel auch eine Luke hat?«
    Nicole strahlte. »Ist das Leben nicht aufregend? Jeden Tag
lernt man etwas Neues dazu. Zumindest diejenigen von uns, die sich von einem
Tag auf den anderen nichts merken können. – Also ich hab die Luke nicht
geschlossen.«
    »Ich auch nicht«, kam es von Gayle.
    Fragend und unsicher sahen die beiden Jane an.
    »Ich auch nicht«, sagte diese kaum vernehmbar. »Wer ist denn
hier eigentlich die Pilotin der Kommandokapsel?«
    Gayle reckte stolz ihre Brust heraus, für die selbst das weite
T-Shirt noch drei Nummern zu klein schien. »Ich natürlich, und wie du gerade
richtig bemerkt hast, bin ich Pilotin und keine Portierin.«
    »Das finde ich nicht witzig«, grantelte Jane. »Bis wir
zurückkommen, wird es saukalt drinnen sein und meine zurückgelassenen Sachen,
inklusive dem sündhaft teuren Chanel Nummer fünf, werden bis dahin irgendwo im Weltall
herumschwirren – lautlos vermutlich. Also konzentriert euch etwas mehr auf eure
eigentlichen Aufgaben hier an Bord, Ladies, sonst werde ich einmal hart
durchgreifen müssen.«
    Die Schwerelosigkeit war schon eine dumme Sache. Wie gerne
hätten die beiden Frauen, so wie sie es von der Erde gewohnt waren, in
peinlichen Situationen ihre Physiognomien hinter ihren wallenden Mähnen
verschwinden lassen, doch standen ihre Haare in alle Richtungen statt ihr
Gesicht mit diesem schützenden Vorhang zu verhüllen.
    »Geht klar.«
    »Kein Problem.«
    »Gut, dann haben wir uns
hoffentlich verstanden.« Jane zeigte zum ersten Mal seit dem Abflug Anzeichen
von Gereiztheit.
    Sie waren die ersten Frauen, die zum Mond flogen, die erste
Crew, die nur aus Frauen bestand und sie durften – Östrogen hin, Testosteron
her – die Sache nicht vermasseln, die Mission nicht gefährden und die auf der
Erde Zurückgebliebenen, wie sie sie nannten, nicht enttäuschen.
    »Ich bin enttäuscht«, sagte Gayle, als sie aus dem Fenster
sah. »Vor vier Tagen haben wir die Erde verlassen und vom Mond noch immer keine
Spur; dabei konnte ich ihn von der Erde aus schon so gut sehen.«
    »Hier«, sagte Nicole, packte ihre Kollegin am Kragen und
bugsierte sie zu dem winzigen Fenster auf der gegenüberliegenden Seite. »Hier
ist der Mond.«
    Der Mond war zum Greifen nahe und füllte das winzige
Dreieck, das bei der Apollo-Landefähre die etwas zu hoch gegriffene Bezeichnung
›Fenster‹ trug, komplett aus.
    »Um Himmels willen«, stieß Gayle
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