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Die Frau mit dem Muttermal - Roman

Die Frau mit dem Muttermal - Roman

Titel: Die Frau mit dem Muttermal - Roman
Autoren: H kan Nesser
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dem endgültigen Schlachtfeld ihr aufmunternd zunicken sehen.
    Die neue Mieterin traf wie abgesprochen am Sonntag, dem 14. Januar ein, am Abend bevor sie eine dreimonatige Fortbildung für Führungskräfte der Finanzabteilung am Elizabethinstitut beginnen sollte. Sie bezahlte sechs Wochen im Voraus, und nach den notwendigen Instruktionen, die in aller Herzlichkeit und im Laufe von weniger als einer Minute erteilt wurden, nahm sie das rote Zimmer in ihren Besitz. Frau Klausner wusste, wie wichtig es war, die Privatsphäre ihrer Mieterinnen zu respektieren; solange ihre Nachtruhe nicht gestört wurde, gab es für sie nicht den geringsten Grund, ihre Nase in deren Angelegenheiten zu stecken. Die Menschen sind gut, pflegte sie zu denken. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.

    Über dem kleinen Waschbecken in der Kochnische hing ein Spiegel, und nachdem sie die Taschen ausgepackt hatte, blieb sie eine Weile davor stehen und betrachtete ihr neues Gesicht. Die Veränderungen waren nur gering; das Ergebnis dagegen erstaunlich. Mit kurzgeschnittenem, braungefärbtem Haar, ungeschminkt und mit einer runden Brille mit Metallgestell sah sie plötzlich aus wie eine Bibliothekarin oder eine gelangweilte Handarbeitslehrerin. Niemand würde sie wiedererkennen, und für einen Augenblick – während sie dastand, das Gesicht verzog und sich von allen Seiten betrachtete – hatte sie selbst das Gefühl, eine andere zu sein.
    Neues Aussehen und neuer Name. Neue Stadt und ein Vorhaben, das sie vor einem halben Jahr als die Geschichte eines Wahnsinnigen oder einen schlechten Scherz aufgefasst hätte.
    Aber jetzt stand sie hier. Versuchte noch einmal – das letzte Mal? – nachzuspüren, ob sie irgendeine Form von Zweifel oder Unschlüssigkeit in sich spürte. Aber wie sehr sie auch ihre Seele durchforstete, überall stieß sie nur auf reines Urgestein. Den festen und unerschütterlichen Entschluss, und sie begriff, dass es an der Zeit war loszulegen
    Ernsthaft die Sache in Angriff zu nehmen. Ihre Liste war in jeder Hinsicht komplett. Drei Monate hatte sie gebraucht, um alles gewissenhaft zu planen. Jeder Name war festgehalten, jeder Schritt genau überlegt. Wenn sie einmal angefangen hatte, wenn man erkannt hatte, worum es ging, musste sie darauf gefasst sein, Probleme zu bekommen. Große Aufmerksamkeit von allen Seiten – der Allgemeinheit, der Polizei, den Gegnern.
    Es gab kein Zurück mehr. Die Dinge waren nun einmal, wie sie waren.
    Aber bereits jetzt war ihr klar, dass auch das ihr keine Sorgen machte. Zumindest keine unüberwindlichen, und während sie am ersten Abend auf dem Bett lag und ihre Waffe betrachtete, wusste sie, dass die bevorstehende Herausforderung die Verlockung nur noch vergrößern würde.

    Sie ein bisschen spannender und schöner machen würde.
    Ich bin wahnsinnig, dachte sie. Total und unheilbar wahnsinnig. Aber das war ein verwegener, unwiderstehlicher Wahnsinn. Und wer sollte sie eigentlich rügen?
    Sie betrachtete die Namen. Studierte einen nach dem anderen. Sie hatte bereits entschieden, wer der Erste sein sollte, überdachte es aber noch einmal.
    Dann gab sie einen Seufzer der Zufriedenheit von sich und umringelte ihn mit einem doppelten roten Kreis. Zündete sich eine Zigarette an und begann das Szenario durchzugehen.

II
18. – 19. Januar

    4
    Es gehörte kaum zu Ryszard Maliks Gewohnheiten, zwei große Whiskys vor dem Essen zu trinken, aber an diesem Tag gab es allen Grund dazu.
    Sogar zwei Gründe. Der Vertrag mit Winklers war trotz zwei Stunden intensiver Telefonverhandlungen am Nachmittag schließlich doch geplatzt, und als er endlich aus seinem Büro loskam, hatte ein plötzlicher Kälteeinbruch die regennassen Straßen in reine Schlittschuhbahnen verwandelt. Wenn es nur ihn betroffen hätte, wäre das natürlich kein Problem gewesen – nicht umsonst hatte er mehr als dreißig Jahre unfallfreies Fahren hinter sich, und Straßenglätte hatte er schon früher erlebt –, aber er war ja nicht allein auf der Straße.
    Kurz vor dem Rondell auf der Hagmaar Allee passierte es. Ein weißer Mercedes mit Schweizer Nummernschild rutschte mit viel zu hoher Geschwindigkeit hinten auf seinen Renault. Er fluchte leise, löste seinen Sicherheitsgurt und stieg aus dem Wagen, um den Schaden zu besehen und die Formalitäten zu erledigen. Das rechte Rücklicht war kaputt, eine ziemlich dicke Delle an der Stoßstange und zwei deutliche Kratzer im Lack. Diverse knappe Entschuldigungen, diverse schlaffe
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