Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau im Kühlschrank

Die Frau im Kühlschrank

Titel: Die Frau im Kühlschrank
Autoren: Gunnar Staalesen
Vom Netzwerk:
bedeutet mir nicht so viel.«
    »Nein?«
    »Nein. Ich lebe allein, und wenn ich eventuell – eine Freundin hätte, dann wäre es eine, die sich selbst versorgen könnte, und mich auch übrigens. Ich habe ,was ich brauche, Monsen. Nur die Wikinger haben es mit ins Grab genommen, und die hatten sicher nicht viel Freude daran.«
    Mit unvermittelter Gereiztheit schnauzte er: »Wir werden dich aus dem Markt rausschießen, Veum – im Laufe eines Jahres. Noch nicht einmal …«
    Ich hob die Schultern. »Wie du willst. Ihr könnt es ja versuchen. Es ist gar nicht so sicher, daß wir einander auf die Zehen treten. Es ist viel Platz in der Stadt.« Hoffte ich. Aber die Faust saß noch genauso fest und hart unten in meinem Bauch. Sie wollte sich nicht wieder öffnen.
    »Also gut«, sagte er mit einer abschließenden Geste. »Wir entscheiden das nicht hier und jetzt.« Er stand auf. »Ich geb dir vierzehn Tage, Veum.« Er sah auf seine Armbanduhr. Elektronisch, versteht sich, mit eingebautem Respirator und solchen Finessen. »Überleg es dir gut –, und ruf uns an. Ich halte den Vertrag bereit. Wenn nicht …« Er zuckte mit den Schultern, griff mit der einen Hand den Popelinmantel, mit der anderen die Aktentasche und ging zur Tür.
    Ich erhob mich hinter dem Schreibtisch.
    »Auf Wiedersehen, Veum«, sagte er. »Ich muß die 3-Uhr-Maschine erreichen.«
    »Gute Reise«, sagte ich.
    Er nickte kurz, drehte sich auf dem Absatz um – und war verschwunden.
    Ich stand da und sah ihm nach. Nach einer Weile ließ ich mich in den Sessel fallen, drehte ihn herum und starrte aus dem Fenster, ohne irgend etwas zu sehen.
    Ich rührte mich nicht, bis plötzlich das Telefon klingelte.
    Ihre Stimme war leise und hell und warm. »Hallo – wie geht’s dir? Hast du viel zu tun?«
    Ich blickte über meinen so gut wie leeren Schreibtisch. Hatte ich viel zu tun? »Ich muß nach Stavanger«, sagte ich. »Morgen. Und du?«
    »Ich … Bist du heut abend zu Hause?« fragte sie, mit einem atemlosen Fragezeichen am Schluß.
    Ich lächelte ihr durch die Leitung zu. Ich hoffte, sie würde es an meiner Stimme hören können. »Ich bin immer zu Hause, wenn du fragst, Liebes …«
    »Er – er muß heute nach Tromsø. Er soll Prüfer sein, beim Examen da oben. Ich könnte einen Babysitter bekommen.«
    Die plötzliche, warme Sehnsucht im Körper, das Herz, das schneller schlägt. »Komm nur. Ich bin zu Hause.«
    Ich schloß die Augen, sah vor mir ihr Lächeln, die Augen, ihr Haar. »Schön«, sagte sie. »Dann komm ich – so gegen acht, halb neun, ist das in Ordnung?«
    »Das hört sich an, als sei’s noch viel zu lange hin«, sagte ich.
    Sie lachte leicht. »Ich muß jetzt auflegen, aber – wir sehn uns dann ja. Tschüß.«
    »Tschüß.«
    Wir warteten immer einen kleinen Moment, bevor wir auflegten, als wollte keiner etwas verpassen, falls der andere noch etwas zu sagen hatte.
    Aber wir sagten nichts mehr diesmal. Ich legte den Hörer vorsichtig wieder auf die Gabel. Ich merkte, wie ich immer noch lächelte, und unten in meinem Bauch hatte die Faust sich geöffnet.

3
    Wenn es dunkel wird, kommen die Clowns hervor. Wenn die Menschen sich vor ihren Fernsehapparaten zurechtgesetzt haben, dann kommen die Clowns aus ihren Verstecken, kommen mit leichten Schritten deine Gasse entlang, steigen flink die Treppen hinauf zu deinem Haus, hinein durch die Haustür und die Treppe hinauf in den ersten Stock. Es klingelt an deiner Tür, und wenn du öffnest, steht draußen ein Clown, und sie wirft sich in deine Arme und ihr küßt euch.
    Wir küßten uns, lange, als hätten wir uns eine Ewigkeit nicht gesehen. Ihr zarter Körper legte sich vertraut an meinen, und ich strich ihr übers Haar, meine Hände suchten ihre Wangen, bogen ihren Kopf zurück, zogen ihn vor, hielten ihn fest, ganz leicht, ich sah ihr lange in die dunklen, schimmernden Augen – und küßte sie zart auf die weichen Lippen, lange.
    Alles, was wir taten, geschah in einer Art verzauberter Harmonie. Selbst das Allergewöhnlichste, wie in die Küche hinauszugehen und am Küchentisch zu stehen, bis das Teewasser kochte, sie zum Regal gehen und ein Gewürzglas herunternehmen und auf dem Etikett lesen zu sehen, ihr zu folgen und die Arme um sie zu legen, und das nicht zu unterdrückende Lachen in ihrer Brust zu spüren.
    »Es ist so gut, bei dir zu sein«, sagte sie weich. »So falsch, daß es so gut ist …« Und es kam ein Zug von Wehmut in ihr Gesicht, als glaube sie nicht, daß es sein dürfe, als
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher