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Die Frau im Kühlschrank

Die Frau im Kühlschrank

Titel: Die Frau im Kühlschrank
Autoren: Gunnar Staalesen
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Eliassen.«
    Ich notierte beides. »Wie lange wohnt er schon da unten?«
    »Zwei – drei Jahre.«
    »Was hat er davor gemacht?«
    »Da war er ein paar Jahre auf See.«
    »Und die Gesellschaft, bei der er arbeitet?«
    Sie sagte den Namen einer der amerikanischen Ölgesellschaften, die die Rechte für ein ansehnliches Stück des Nordseebodens und das, was sich darunter befinden mochte, erworben hatten. »Ich habe auch bei ihnen angerufen, aber sie haben nur geantwortet, daß sie sich nicht darum kümmern würden, wo sich ihre Leute aufhielten, wenn sie frei hätten, Hauptsache, sie kämen pünktlich zur Arbeit.«
    »Ich verstehe. War es jemand Bestimmtes, mit dem Sie da gesprochen haben?«
    »Ja, aber ich weiß nicht mehr – es war eine Frau.«
    »Gut, gut, das finde ich schon heraus.«
    Sie sah mich bittend an. »Glauben Sie …« Ihre Stimme wurde zu einem Flüstern. »Glauben Sie, daß Sie mir helfen können?«
    »Ich werd’s versuchen«, sagte ich. »Haben Sie ein Foto von ihm?«
    »Ja, ich … Er wollte nicht zum Fotografen gehen – so wie Ragnhild, aber hier hab ich eins.« Sie holte unter dem Tisch eine Handtasche hervor und zog ein kleines Foto heraus. Sie gab es mir, und ich sah es mir an. Es war nicht schlecht. Er hielt das Gesicht gegen die Sonne und blinzelte etwas, aber die Sonne zeichnete die Linien in seinem Gesicht so klar, daß man das Profil erahnte, obwohl es eine Frontalaufnahme war. Ich nickte zum Zeichen dafür, daß ich es verwenden konnte.
    Er war seiner Schwester durchaus ähnlich: das gleiche kräftige, viereckige Kinn – männlich bei ihm, ein wenig zu dominierend bei ihr –, die gleichen dünnen, wie nachgezogenen Augenbrauen und die gleiche langgestreckte, gerade Nase. Aber sie war ganz dunkel gewesen, und er war hellblond.
    »Es ist nicht schwer zu erkennen, daß sie Geschwister sind«, sagte ich.
    »Nein – sie ähneln dem Vater, beide«, antwortete sie.
    »Haben Sie sonst noch etwas über Ihren Sohn zu erzählen? Hat er irgendwelche besonderen Interessen? Was tut er in der Freizeit?«
    Sie sah mich hilflos an. »Er ist so selten zu Hause gewesen. Erst die Jahre auf See und jetzt – da unten. Er – hat gerne gelesen. Und ging zu Fußballspielen. Oder ins Kino. Aber – das ist ja nichts Außergewöhnliches, nicht?«
    »Nein, das ist es wohl nicht.«
    »Wie – wieviel Geld brauchen Sie?«
    Ich rechnete schnell im Kopf. »Sagen wir – zweitausend, vorläufig. Sie kriegen selbstverständlich eine ordentliche Rechnung zum Schluß, mit allen notwendigen Belegen. Aber ich brauche wohl …«
    »Das ist in Ordnung. Würden Sie so nett sein und kurz auf den Flur gehen?«
    »Auf den Flur?«
    »Ja. Dann werd ich …« Sie rieb Daumen und Zeigefinger gegeneinander, als internationales Zeichen für Geld.
    Ich erhob mich gehorsam und ging hinaus auf den Flur. Ich konnte hören, wie sie drinnen im Wohnzimmer rumorte. Ich hörte das Tappen des Stocks durch den Raum – und dann wieder zurück. Schließlich kam sie und öffnete die Tür wieder. »Jetzt können Sie reinkommen.«
    Ich trat wieder ins Wohnzimmer und sah mich unwillkürlich um. Aber alles war wie vorher. Die einzige Veränderung war der Packen Geldscheine, den sie in der Hand hielt.
    Sie überreichte mir den Packen. »Bitte zählen Sie nach – dann … Und dann hätte ich gern eine Quittung.«
    »Die sollen Sie haben.« Ich zählte die zwanzig Hunderter durch und kramte Papier und einen Stift aus einer meiner Jackentaschen. Ich setzte mich an den Couchtisch und begann zu schreiben. Ich sah einen Moment auf. »Der Vorname – war …«
    »Theodora«, sagte sie. Sie stand noch immer, als wartete sie nur darauf, daß ich ginge.
    Ich schrieb: Erhalten von Frau Theodora Samuelsen , 2   000 Kr .Dann Datum und Unterschrift: V . Veum .
    Ich gab ihr die Quittung und notierte den Betrag in meinem kleinen Notizbuch. Dann stand ich auf. Einen Augenblick blieb ich stehen und sah sie an. Dann sagte ich: »Ich fahre morgen früh runter. Ich habe hier heute ein paar andere Dinge zu tun. Sobald ich etwas herausgefunden habe, werden Sie von mir hören.«
    Sie nickte. Ihr Gesicht hatte sich ein wenig aufgehellt. Es passierte etwas. Es gab Grund zur Hoffnung. Ich hoffte nur, daß sie nicht enttäuscht würde. Wahrscheinlich hatte er sich irgendwo verkrochen, mit irgendeinem Mädchen. Sohne tun so etwas ab und zu, und nicht immer denken sie daran, ihren Müttern Bescheid zu sagen.
    Bevor ich ging, sagte ich: »Hat er nichts Besonderes geschrieben –
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