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Die Frau im gepunkteten Kleid

Die Frau im gepunkteten Kleid

Titel: Die Frau im gepunkteten Kleid
Autoren: Beryl Bainbridge
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schwimmen, wenn er sich bei all dem Platz dahinten noch wegen einem Dachständer Gedanken machte. »So viele Autos«, murmelte sie.

    »Oldsmobile, Chevrolet, Ford, Lincoln, Mustang, Plymouth, Dodge«, deklamierte er, als sei ihm ein Gedicht eingefallen.
    »Das Flugzeug war fantastisch«, schwärmte sie. »So viel zu essen… und all die Getränke. Ein Herr, der sich ziemlich unverblümt über seine Frau äußerte, hat mir Champagner spendiert … Ist das nicht nett? Er war auf Geschäftsreise, erst Tokio, dann Irland.« Nur das Sätzchen über die Geschäftsreise stimmte; Champagner hatte er ihr keinen bestellt.
    Harold murmelte als Antwort etwas über den Regen. Er lenkte nur mit einer Hand, mit der anderen zupfte er an seinem Bart.
    »Tut mir leid, dass du all diese Angaben an die amerikanische Botschaft schicken musstest«, sagte sie.
    »Sag mal, was war denn da los? Worum ging’s denn?« Jetzt war er bei der Sache.
    »Als ich das Visum beantragt habe, musste ich sagen, wie viel Geld ich mitnehmen würde. Und den Grund für meine Reise nennen. Aber den konnte ich ja nicht angeben. Ich meine, ich kann doch nicht sagen, dass ich nach Dr. Wheeler suche, wenn ich gar nicht weiß, wo er sich aufhält.«
    Sie hielt inne, voll Sorge, dass er dies vielleicht falsch auffasste. Sie hatte es nicht als Kritik gemeint; die Botschaft hatte nur ständig rumgenörgelt, weil sie womöglich der öffentlichen Hand zur Last fallen würde oder so. Sie hatte erklären müssen, dass sie
nur vierzehn Pfund mitnahm. Bernard hatte gesagt, die wollten nur sichergehen, dass sie nicht für den Heimflug blechen mussten. Polly meinte, sie hätten das Recht, Erkundigungen einzuziehen, und es sei komisch von Harold, dass er ihr kein Rückflugticket geschickt habe. Als erfahrener Reisender müsste er die Regeln kennen.
    Sie sagte: »Sobald wir Dr. Wheeler finden, zahlt er es dir zurück … bestimmt.« Harold antwortete nicht, sondern zupfte nur immer an seinem Kapitänsbart. Vielleicht war er so reich, dass ihm das egal war.
    Sie fuhren eine Straße mit lauter Autohändlern entlang; Neonreklamen schnitten goldene Dollarzeichen in den nassen Himmel. »Diese Gegend hier«, sagte er, »demonstriert sehr anschaulich die Privilegien des freien Unternehmertums in einer freien Gesellschaft.«
    »Verstehe«, sagte sie, obwohl sie nichts verstand.
    »Schau dir nur diese gottverdammte Ungeheuerlichkeit an«, rief er und wies mit dem Finger auf ein zitronengelbes, mit Lichtergirlanden behängtes Disney-Schloss. »Hast du so was schon mal gesehen?«
    »Wir haben Blackpool«, sagte sie. Er hörte sich ziemlich fanatisch an.
    Sie bogen nach links ab, wieder auf einen grauen Platz, und fuhren auf ein verglastes Betongebäude zu. Mitten auf dem Parkplatz stand ein Mast, an dem eine tropfende Flagge hing.
    »Sears Roebuck«, verkündete Harold. »Größtes Kaufhaus der Welt … was die Menge betrifft, nicht
die Qualität. Alles von den Socken bis zum Buick. Du hast die Wahl!«
    Sie wäre lieber geblieben, wo sie war, und hätte ihre Strümpfe gerade gezogen, aber er war schon hinausgesprungen und wartete auf sie. Seine braunen Wildlederstiefel wurden schon vom Regen dunkel. Durchnässt schlich sie hinter ihm her in den Laden, schlappte über die Fliesen und war wie geblendet von dem gleißenden Lichterschein auf all dem Chrom und Stahl.
    Er lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die beleuchteten Armaturen und fragte: »Habt ihr so was auch in England?«
    »Ich glaub schon. Ich kenne mich mit Autos nicht aus.«
    »Die Automobilindustrie geht jetzt immer mehr auf die Bedürfnisse der Frauen ein«, sagte er. »Das ist mittlerweile ihre Zielgruppe.« Es klang verächtlich.
    Alles war zu haben: Spiegel fürs Armaturenbrett, Heizungen, Decken mit Schottenkaro, Berge von Sofakissen in Plastikbezügen, gefleckt wie Tierfell, reihenweise Maskottchen mit baumelnden Gliedmaßen und Augen, die rot aufglühten, wenn sich die Puppe drehte.
    »Hatte Wheeler kein Auto?«, fragte Harold.
    »Ich glaube nicht. Er war immer zu Fuß, wenn wir uns trafen.«
    »Klingt nicht nach dem Wheeler, den ich kenne. Der war ein ausgesprochener Autonarr.«

    Er wirkte unentschlossen. Einige Verkäufer schwirrten um ihn herum, doch er stand mit hängenden Schultern da.
    Sie musste sich setzen. Heute Vormittag hatte sie vier Stunden am Empfangstresen von Mr McCreadys Zahnarztpraxis am Cavendish Square gearbeitet, dann war sie mit dem Bus nach Heathrow gefahren, hatte stundenlang angstschlotternd den
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