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Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)
Autoren: Simon Mawer
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zuvor: am selben Ort – ein anonymes Gebäude auf der Northumberland Avenue, das einmal ein Hotel gewesen war –, in demselben Zimmer, mit den zwei Stühlen und dem nackten Tisch und der nackten Glühbirne, doch diesmal nahm sie die Zigarette, die er ihr anbot. Sie rauchte eigentlich nicht, aber die Arbeit im sogenannten Filterraum in der Bentley Priory, dem Hauptquartier des Fighter Command bei Stanmore, machte unweigerlich jeden zum Raucher, vor allem nachts. Außerdem wirkte sie mit einer Zigarette in der Hand älter, und aus irgendeinem Grund wollte sie in den Augen dieses Mannes älter erscheinen, obwohl er ihr richtiges Alter kannte und daher nicht getäuscht werden konnte.
    »Wie denken Sie über unser erstes Gespräch?«, fragte er.
    Sie zuckte die Achseln. »Sie haben mir nichts Konkretes verraten. Dieses Inter-Services Research Bureaukann alles Mögliche sein.«
    Er nickte. Es konnte in der Tat alles Mögliche sein. »Bei dem Treffen haben Sie – recht beredt, wie ich fand –, über Ihre Liebe zu Frankreich gesprochen, darüber, dass Sie gern etwas mehr für das Land tun würden, auf aktivere Art.«
    »Darum ging’s also, ja? Meine Sprachkenntnisse.«
    »Mehr oder weniger.« Er betrachtete sie nachdenklich, musterte sie mit einem Ausdruck, der fast traurig wirkte. »Marian, wären Sie bereit, dieses Land zu verlassen, um sich aktiver zu engagieren?«
    »Ins Ausland gehen? Sicher. Algerien oder so?«
    »Eigentlich meine ich Frankreich selbst.«
    Eine Pause entstand. Man hätte meinen können, dass sie ihn nicht ganz verstanden hatte. »Ist das Ihr Ernst, Mr Potter?«
    »Mein voller Ernst. Die Organisation, die ich vertrete, bildet Leute für die Arbeit in Frankreich aus.«
    Sie wartete, sog Rauch von der Zigarette ein, entschlossen, sich keinerlei Veränderung anmerken zu lassen. Aber es gab eine Veränderung: ein aufgeregtes Flattern direkt hinter ihrem Brustbein.
    »Ich will offen zu Ihnen sein, Marian. Ich möchte meine Karten auf den Tisch legen. Es wäre eine riskante Arbeit. Sie wären in Lebensgefahr. Aber die Arbeit wäre von immensem Wert für unsere Kriegsanstrengungen. Ich bitte Sie, darüber nachzudenken, ob Sie sich dergleichen vorstellen könnten.«
    Sie schien sich den Vorschlag durch den Kopf gehen zu lassen, doch sie hatte den Entschluss längst gefasst, schon vor Beginn dieses zweiten Gesprächs, als sie geahnt hatte, dass etwas Außergewöhnliches passieren könnte. »Ja, sehr gerne sogar«, sagte sie.
    Potter lächelte. Es war ein Ausdruck bar jeden Humors, das müde Lächeln eines Mannes, der es mit übereifrigen Kindern zu tun hat. »Ich möchte nicht, dass Sie mir sofort antworten. Verreisen Sie und denken Sie darüber nach. Sie haben eine Woche Urlaub.«
    »Eine Woche Urlaub ?« Wer im Filterraum arbeitete, konnte von Urlaub nur träumen.
    Er nickte. »Sie haben eine Woche Urlaub. Fahren Sie nach Hause und denken Sie in Ruhe nach. Sprechen Sie mit Ihrem Vater darüber. Verraten Sie ihm aber nicht mehr, als dass Sie vielleicht zu irgendeinem geheimen Einsatz ins Ausland geschickt werden, der nicht ungefährlich ist. Falls Sie mein Angebot annehmen, wird eine andere Einheit genauer prüfen, ob Sie für diese spezielle Arbeit geeignet sind. Womöglich kommt man dort zu dem Ergebnis, dass ich Ihre Talente falsch eingeschätzt habe und Sie für die Arbeit, die wir machen, nicht infrage kommen. In diesem Fall kehren Sie nach einem angemessenen Debriefing zu Ihren normalen Aufgaben zurück, ohne dass irgendwer erfährt, wo Sie waren. Falls die Bewertungseinheit Sie für geeignet hält, wird es ernst. Ihre Ausbildung wird einige Monate dauern, erst dann kommen Sie zum Einsatz.«
    »Das klingt faszinierend.«
    »So würde ich es eher nicht nennen. Sie müssen Ihre Eltern davon in Kenntnis setzen, dass Sie, falls Sie diese Arbeit annehmen, praktisch aus ihrem Leben verschwinden, bis alles vorbei ist. Zwar wird die Organisation Ihre Familie von Zeit zu Zeit über Ihr Befinden unterrichten, aber Sie werden keinen direkten Kontakt zu ihr haben, und ihre Eltern werden keine näheren Informationen über Ihren Aufenthaltsort erhalten. Freunden oder Verwandten sagen Sie lediglich, dass Sie ins Ausland versetzt wurden. Mehr nicht. Haben Sie das verstanden?«
    »Ich denke ja.« Sie stockte, betrachtete diesen Mann und sein ernstes Schuldirektorengesicht. »Wie hoch ist das Risiko?«
    Er atmete tief ein, als bereitete er sich darauf vor, ein Urteil zu sprechen. »Wir schätzen – es ist wirklich
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