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Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Titel: Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich
Autoren: Claudia Seidert
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haben will, muss seine Vergangenheit geordnet haben, mit ihr im Reinen sein. War Ady mit ihrer Entscheidung, bei Jupp in Deutschland zu bleiben, stets glücklich – oder war da nicht ein Rest Zweifel, ob das Leben in Antwerpen nicht doch leichter gewesen wäre? Sicher, die Liebe zu Maria zog sie nach Antwerpen, aber vielleicht auch ein wenig Sehnsucht nach ihrem früheren, unbeschwerten Leben? Sie bekommt den Aufbruch in die neue Zeit mit in Antwerpen, die optimistische Stimmung dort, die so viel leichter ist als die schwere Atmosphäre in Deutschland. Sie hatte sich für Jupp und für Bottrop entschieden, aber sie war weder hier noch dort richtig zuhause. Sie führte ein Leben zwischen zwei Stühlen.
    Nach sechs Jahren zum ersten Mal wieder zusammen in Antwerpen. Ady, Maria und Jupp 1951.
    Im Juni brauchte Maria ihre Tochter erneut. Am 18. Juni starb in Göteborg Netje, die geliebte Tante aus Kindertagen.
    In Belgien stand derweil eine ganz andere Frage an: Sollten sie ihren König wieder zurücknehmen? 1950 wollte er, dem sie Kumpanei mit dem Hitlerregime vorwarfen, auf den Thron zurückkehren, doch die Belgier führten eine Umfrage durch, deren Ergebnis nicht eindeutig war und den alten Streit wieder auflodern ließ: Während sich in Flandern fast eine Dreiviertelmehrheit für seine Rückkehr aussprach, stimmten sie in Wallonien und in Brüssel dagegen. Als Leopold III. trotz dieses Ergebnisses am 22. Juli 1950 nach Belgien zurückkehrte, brachte er das Land an den Rand eines Bürgerkrieges, es gab Tote.
    Angesichts dieser angespannten Lage entschied sich der ungeliebte König am 1. August 1950 die Macht an seinen Sohn Balduin zu übergeben. Die deutsche Regenbogenpresse getraute sich nicht, ihn Balduin zu nennen und bemühte uns mit dem schwer zu modulierenden ›Baudouin‹.
    Renée plagen in dieser Zeit wieder einmal Zweifel, ob sie jemals die große Liebe finden würde. Sie schreibt Ady über ihre Freunde, über die Liebe, als säßen die beiden nebeneinander auf dem Sofa. Im Herbst berichtet sie glücklich, sie habe nun einen Freund, John, einen Schneider, der große Pläne habe. Es sei doch zu langweilig, sie würde bei ihm über Nacht bleiben und ihre Mutter würde sich darüber aufregen – als ob man »das« nur in der Nacht tun könne! Renée ist jetzt 27 Jahre alt und noch immer unverheiratet, aber »das« hatte auch in Antwerpen nur im ehelichen Schlafzimmer stattzufinden.
    Wenig später berichtet sie, John, der Schneider, habe gute Angebote in Hollywood, sogar von einer Starmodistin. Er sei abgereist nach Amerika. Der Tag des Abschieds sei der schwerste in ihrem Leben gewesen, seither sei sie ständig krank.
    Renée arbeitet noch immer in Brüssel bei Bell Telephone, aber damit ist sie nicht glücklich. Wenn sie etwas in Antwerpen findet, will sie wechseln, aber derzeit sei es sehr schwer.
    Einen Brief später schreibt sie, dass sie nun plane, zu John nach Los Angeles zu übersiedeln. Bis sie das Visum habe, dauere es, sie sei sehr ungeduldig und ganz aus dem Häuschen.
    Im Juni 1951 schreibt Renée, ihr Freund John in Amerika will sie nicht mehr heiraten, er wolle in Zukunft mit seiner Mutter zusammenleben! Die Mutter selbst ist über diese Idee entsetzt und hat noch nicht einmal ein Visum.
    Renée arbeitet noch immer in Brüssel in ihrem alten Job, aber nun sieht es so aus, als ob zum Jahresende Schluss sei, es fehlt an Geld. Renée geht selten aus, ihr ist nicht danach. Sie verbringt ihre freie Zeit mit Nähen. Zumeist bleibt ihr aus Geldmangel nichts anderes übrig, als Altes in Neues zu verwandeln. »Im Krieg hatte ich einen schwarzen Sommermantel, dann machte ich daraus ein Kleid, dann einen Rock und jetzt ist es ein Bolero.«
    Bei Ady und Jupp läuft es nun gut: Das neue Geschäft in derGladbecker Straße entwickelt sich bestens, die Leute haben langsam wieder mehr Geld und geben auch mal etwas aus für Dinge, die sie nicht unbedingt benötigen. Da darf es dann schon mal das neue Fahrrad für die Frau sein oder ein größeres fürs Kind zu Ostern oder zum Geburtstag. Und die Männer motorisieren sich, ihnen bietet Jupp mit seinen Mopeds den idealen Einstieg. Auch Jupps Verwandtschaft kauft bei ihm: Kinderwagen, Kinderrädchen, Roller, alles, was Räder hat. Ady und Jupp können sich endlich etwas leisten, was man auch auf den Fotos allmählich sieht; ein paar Anschaffungen warten bereits seit Längerem.
    Zusammen mit Maria, Firmin und Hündchen in Waterloo, 1960. Jupp fotografiert.
    Sie
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