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Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Titel: Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich
Autoren: Claudia Seidert
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lutherfreundliche deutsche Fürstentümer, allein 38   000 Menschen retteten sich aus dem vom spanischen König Karl V. eingeschlossenen Antwerpen Mitte des 16. Jahrhunderts nach Frankfurt am Main. Eine Gruppe flämischer Maler floh ins heute unbedeutende Frankenthal in der Pfalz und gründete unter dem Namen »Frankenthaler Schule« eine berühmte Künstlerdynastie. Pieter Pauwel Rubens kam im Zuge der Protestantenverfolgung nicht in Antwerpen, sondern in Siegen zur Welt, er kehrte erst Jahre später, nach Aufenthalten in Italien und Spanien, nach Antwerpen zurück. Rubens wurde durch den dortigen Bürgermeister gefördert und durch dessen Aufträge rasch bekannt, die Stadt betrieb gezielt die Förderung ihrer Künstler, wie sonst nur Adelshöfe oder die Kirche. Etwa hundert Jahre zuvor hatte der Magistrat seinem deutschen Kollegen Albrecht Dürer ein üppiges Jahresgehalt geboten, darüber hinaus ein schönes Haus, freien Unterhalt und die Bezahlung aller seiner öffentlichen Arbeiten, um ihn zum Bleiben in der Stadt zu bewegen. Vergeblich, Dürer kehrte nach einem Jahr nach Nürnberg zurück. Dort hatte er eine Sonderstellung, in Antwerpen wäre er nur einer von vielen gewesen, etwa Hieronymus Bosch, die Jans und die Pieter Brueghel, Frans Hals, Hans Memling, Jacob Huysmans sowie Bildhauer und Komponisten. Auch die Familie »unseres« Titanen Ludwig van Beethoven kam aus Mechelen in Flandern, bevor sie sich in Bonn niederließ. In jüngster Zeit sind es die Architekten, Designer, Modeschöpfer, die Flandern und Antwerpen wieder ins Gespräch bringen.
    Belgien ist ein noch recht junger Staat. 1830 spalteten sich die südlichen Niederländer von den nördlichen mit ihrem König Willem I. ab und gründeten ihren eigenen Staat. Mit Hilfe und Gunst anderer europäischer Staaten, speziell der Briten, gaben sie sich eine liberale Verfassung, einen Nationalkongress und, wie die Schweiz, die ewige Neutralität. Diese war sogar die diktierte Bedingung für die Staatsbildung, und fünf Staaten übernahmen dafür die Garantie, darunter das Deutsche Reich. Auch einen König bekamen die Belgier, einen deutschen Prinzen, Leopold von Sachsen-Coburg-Saalfeld, Leopold I.
    Antwerpen, De Keyserlei, im Hintergrund der Bahnhof, genannt die »Spoorwegkathedraal«.
    Von Anfang an war Belgien ein Land der Gegensätze und das ist es bis heute, »ein sehr kompliziertes Land«. Arnold d’Oray de Lantremange, wallonischer Bürgermeister in einem flämischen Randbezirk von Brüssel, muss es wissen. Er durfte lange nur »geschäftsführender Bürgermeister« seines flandrischen Dorfes sein, die flämische Regionalregierung verweigerte den gewählten französischsprachigen Bürgermeistern die Ernennung.
    Wallonie und Flandern, das waren lange Synonyme für Stadt und Land, Reichtum und Armut. Die Sprachgrenze zwischen Wallonen und Flamen ist die wohl markanteste in Europa. Da geht es nicht nur um politische Erbsenzählerei. Anfangs, nach der Staatsgründung, lag die Führung des Landes in den Händen einer frankophonen Elite, erst in jüngerer Zeit verlagerte sich der ökonomische und damit der gesellschaftliche Schwerpunkt. Für so manchen wirkte sich die Sprachbarriere tödlich aus. Zwei Flamen wurden beispielsweise im Jahr 1860 wegen Mordes zum Tode durch die Guillotine verurteilt und hingerichtet. Sie waren unschuldig, wie sich später herausstellte, doch das hatte niemand ermittelt. Damals war es nicht unüblich, dass Polizisten, Anwälte und Richter nur Französisch verstanden und den Angeklagten, die flämisch sprachen, kein Dolmetscher zur Seite stand. Was wie ein makabrer Witz aus rauen Tagen der Justiz klingt, wurde für viele flämische Soldaten auch während des Ersten Weltkriegs zur Falle im Schützengraben. Rund neunzig Prozent der Soldaten in den unteren Rängen der belgischen Armee waren Flamen, das Offizierskorps setzte sich jedoch fast ausschließlich aus Wallonen zusammen und die Mannschaften verstanden die Befehle ihrer Vorgesetzten oft nicht. Viele flämische Soldaten kosteten die Missverständnisse das Leben, doch wer sich gegen die absurden Verhältnisse auflehnte, riskierte, wegen Meuterei erschossen zu werden.
    Die Belgier arrangieren sich seit je mit ihren Gegensätzen und nennen folgerichtig ihren Monarchen »König der Belgier«, als wollten sie eine Einheit beschwören, die es so nie gab. Bürgermeister Arnold d’Oray de Lantremange mahnte zur Besonnenheit, sollte sein Wahlbezirk gespalten werden, »würde die
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