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Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Titel: Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich
Autoren: Claudia Seidert
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auch viel mit mir, der Deutschen, zu tun.
    Taufe von Ady mit etwa eineinhalb Jahren. Vater Firmin links, Mutter Maria rechts, mit Unbekannten. Das erste Foto der Sammlung, das im Freien entstand.
    Eine Menge Fragen tauchten auf: Würde am Ende mehr herauskommen als sentimentales Stöbern in einem fremden Leben? Wie nähert man sich einer Unbekannten, welche Vorurteile, welche festgefügten Bilder bringt man mit? Musste ich nicht stets befürchten, dass mein eigener Standpunkt Verstehen ausschließt, weil er ungenügend offen ist? Oder würde im besten Fall gelingen, was Hans-Georg Gadamer mit historischem Verstehen meinte, ein Gespräch zwischen Gegenwart und Vergangenheit?
    Ich sichtete die Dokumente und betrachtete wieder und wieder die unzähligen Fotografien, las Liebesbriefe, die nicht für mich bestimmt waren, tauchte ein in ein mir bisher unbekanntes Belgien und Antwerpen und in die finstersten Knotenpunkte der deutsch-belgischen Geschichte, um in diesen Fragmenten Adrianas Leben nachzuvollziehen.
    Maria mit Ady im Alter von etwa zwei Jahren.
    Im realen Leben entscheiden wir uns aus den unterschiedlichsten Gründen letztlich für eine Möglichkeit, einen bestimmten Weg. Hätte Adriana in manchen Situationen wie Samuel Jakobowsky in Franz Werfels bitterkomischem Drama ›Jakobowsky und der Oberst‹, in dem ein jüdischer Pole und ein polnischer Offizier auf der Flucht vor den Nazis durch Frankreich hasten, immer auch einen anderen Weg entdecken können? Jakobowsky folgt dem nur scheinbar schlitzohrigen Motto, das ihn antreibt und letztlich die beiden Flüchtenden am Leben erhält: »Man hat immer zwei Möglichkeiten im Leben!« Hatte auch Adriana die Wahl, im Besonderen unter den so außergewöhnlichen Umständen und bizarren Verhältnissen des Zweiten Weltkriegs?

Erste Jahre in Antwerpen
    An einem Dienstag, dem 24. Juni 1913, kam Adriana in Antwerpen zur Welt. Das Wetter war mäßig, Anfang Mai war in ganz Mitteleuropa noch einmal der Winter ausgebrochen mit Schnee und Frost, und noch bis in den Juli hinein verursachten Stürme in der Deutschen Bucht bis hinüber nach England schwere Schäden. In den Tagen vor Adys Geburtstag beging in Berlin der letzte deutsche Kaiser, Wilhelm II., unbeeinträchtigt vom Wetter, sein 25-jähriges Thronjubiläum mit Glanz und Gloria und Tschingderassabumm. Sein belgischer Nachbar, König Albert I., wird angemessen gratuliert haben.
    Die Eltern lassen ihre Tochter auf die Namen Adriana Silvia Jozefa taufen, als sie ein gutes halbes Jahr alt ist. Von Adrianas Mutter existieren in den Fotoalben unzählige Aufnahmen, viel mehr als vom Vater. Anfangs ging man noch zu einem festen Termin ins Fotoatelier, um sich ablichten zu lassen. Da ist der Vater noch dabei. Doch bald sind die Frauen alleine und ihn zeigen die Bilder in Uniform. Der Erste Weltkrieg hatte begonnen.
    Noch wusste ich wenig von Adrianas Familie, und die Recherche gestaltete sich zäh. Ich schrieb Briefe an alle Adressen, die ich in der Korrespondenz im Koffer und auf Briefumschlägen fand, sogar an jene, die längst schon nicht mehr aktuell sein konnten, bei denen bereits die Schrift das hohe Alter der Absender verriet. Die offiziellen Register in Deutschland geben in der Regel Auskünfte ausschließlich an Familienangehörige. Natürlich kann man so tun »als ob«, aber auf solche Manöver wollte ich verzichten. In Antwerpen muss man sich selbst in die Tiefen des Stadtarchivs begeben. Auch das war nicht unbedingt eine Erfolg versprechende Lösung.
    Meine Nachforschungen blieben zunächst über Monate erfolglos. Es schien weder Angehörige noch Freunde oder alte Bekannte von Adriana zu geben, weder in Antwerpen noch in der Nähe von Bonn, wo sie gestorben war. Doch eines Tages erklärte sich ein freundlicher, mir unbekannter Helfer gegen ein geringes Entgelt bereit, in den Stadtarchiven von Antwerpen nach Adrianas Eltern zu recherchieren. Und er wurde fündig: Firmin stammte aus Putte,einer kleinen Gemeinde im Südosten Antwerpens. Dort wurde er am 26. Dezember 1888 geboren und auf die Namen Firmin Frans Ludewigk getauft. In einem anderen Archiv firmiert er unter Firmin Francois Louis, in einem katholischen Register schließlich wurde Firmin unter der Nummero 143 als Firminus Franciscus Ludovicus eingetragen. Hier erfahren wir auch etwas über seine Eltern: Der Vater Petrus Josephus Van den Eynde war von Beruf Schuhmacher und lebte mit »seiner Hausfrau« Catharina Isabella, geborene Assel, gebürtig in Borgerhout,
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