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Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Titel: Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.
Autoren: Mike Powelz
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davor, dass das eigene persönliche Sein für immer ausgelöscht sein könnte und der Abschied und die Sorge um hinterbliebene Menschen und Haustiere, können dem Sterbenden seinen letzten Lebensabschnitt zur Hölle machen. Dem wirken die Hospizeinrichtungen entgegen. Die dort praktizierte Palliativbetreuung setzt alles daran, dass der Sterbende seine letzte Zeit auf Erden möglichst schmerzfrei und ohne Sorgen noch genießen und wenn es dann soweit ist, in Frieden und Ruhe sterben kann.
    Mike Powelz Buch „Die Flockenleserin“ nimmt den Leser mit in ein Hospiz und schildert auf berührende und einfühlsame Weise, wie die unterschiedlichen Insassen und deren Angehörige diese letzte Zeit und den Tod erfahren, was sie bewegt und was dann noch wichtig ist – was überhaupt im Leben wichtig ist. Dieser außergewöhnliche Krimi ist sehr spannend und zugleich enorm lehrreich. Er berührt viele Tabuthemen unserer Gesellschaft und hält ihr einen Spiegel vor. Das Buch packt einen überaus kraftvoll und führt einen in immer tiefere Schichten seines Selbst. Ich bin überzeugt, dass es seine Leser verwandelt und anregt, ihr Leben noch bei Zeiten zu überdenken und neue Weichen zu stellen, wo anstatt Verdrängung, Zerstreuung, Macht und Geld mehr Toleranz, Ethik, Mitgefühl, spirituelles Erwachen und freudiger, liebevoller Umgang mit sich selbst, den Mitmenschen und Tieren im Vordergrund stehen.
     
    Mit meinen besten Wünschen,
    Ursula Demarmels
     

Prolog
     
     
    Gustav Sonnleitner starb am 31. Oktober.
    Obwohl er nur 46 Jahre alt geworden war, atmeten alle auf, die ihn in den letzten sieben Tagen seines kurzen Lebens gefüttert, in saubere Windeln gepackt und sein Erbrochenes weggewischt hatten.
    Katharina Schulz atmete auf, als sie die Fenster in Sonnleitners Sterbezimmer öffnete, wo der gelbe, eingefallene Leichnam seit zwölf Stunden ruhte.
    Sie atmete auf, weil sie sich für Gustav freute. Endlich litt der Kranke nicht mehr.
    Die Hauswirtschafterin schlug kein Kreuz. Sie wurde auch nicht andächtig. Stattdessen zog sie sich einen Stuhl ans Bett. Katharina setzte sich und betrachtete das Gesicht des Toten. Zu seinen Lebzeiten hatte sie Sonnleitner immer nur kurz gesehen. Das war etwa der Fall gewesen, wenn sie kontrollierte, ob die Putzfrau jeden ausgespuckten Essensrest gründlich vom Fußboden entfernt hatte. 
    Nun war alles sauber.
    Sonnleitner würde nie wieder spucken. Der Tod hatte sein gequältes Gesicht verwandelt, wie es fast immer der Fall war nach dem Dahinscheiden.
    Katharina Schulz sorgte seit 17 Jahren für Sauberkeit und Sterilität in den zwölf Gästezimmern von Haus Holle. Keime und Schmutz waren ihr größter Feind. Jahrelange Erfahrung hatte sie gelehrt, dass sich auf den letzten Metern des Lebens – und somit auf den Sterbeprozess – nichts so fatal auswirken konnte wie Bakterien und Viren.
    Ungeachtet dessen war Sonnleitner qualvoll gestorben, bei vollem Verstand und nach langem Todeskampf. Eine in Wien lebende Schwester hatte den Aidskranken eine Woche zuvor aus seiner verwahrlosten Wohnung holen und von seinem langjährigen Hausarzt nach Haus Holle verlegen lassen. Obwohl Sonnleitner schon bei seiner Einlieferung ins Hospiz nur 39 Kilogramm – bei einer Größe von 1,88 Metern – gewogen hatte, sträubte sich sein ausgemergelter Körper gegen den Übergang in eine hoffentlich bessere Welt.
    Bis zur letzten Sekunde zwang er sich selbst, ein Auge offen zu halten. Das wusste die Kollegin aus der Nachtschicht, die Sonnleitner in dessen Sterbestunde die Hand gehalten hatte.
    Jeder stirbt, wie er gelebt hat .
    So lautete eine der unzähligen Einsichten, die Katharina mehrmals gehört hatte. Und Sonnleitner hatte, so verrieten es die Informationen aus seiner Patientenakte, ausschweifend gelebt. Alkohol, Drogen und Sex hatten ihn durch sein Leben begleitet – bis zu seinem frühen Tod, der auf den Ausbruch von Aids zurückzuführen war. Oder besser gesagt: Auf eine böse Lungenentzündung, die durch seine Immunschwäche verursacht worden war.
    Katharina schalt sich selbst eine Närrin. Als ob ein ausschweifendes Leben, wie es Gustav geführt hatte, am Ende vom Schicksal bestraft werden musste! Sie schob die Plattitüde beiseite, und ersetzte sie durch eine eigene, ehrlichere Einsicht. Ihrer Meinung nach hatte Sonnleitner versucht, wenigstens ein Auge offenzuhalten und sich an sein krankes Leben zu klammern, weil er nicht bereit gewesen war für den Tod. Er konnte nicht gehen, weil ihn
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