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Die Farben der Wirklichkeit

Die Farben der Wirklichkeit

Titel: Die Farben der Wirklichkeit
Autoren: Körner
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Vogelparadies. Vielleicht ganz, hier. Hier Paradiesvogel!“ Der Redefluß des Papageis war nicht zu bremsen.
    „Was meint er“, schrie ein Spatz, der ein wenig weiter weg saß, „der redet so furchtbar schnell und außerdem nuschelt er. Hat er nicht gesagt, daß der Paradiesvogel hier sei?“
    „Doch, doch“, riefen andere Spatzen aufgeregt dazwischen, „wir haben es ganz deutlich gehört.“
    „Deutlich, Paradiesvogel. Schnell gesagt. Wichtiges Vogel bunt! Paradiesvogel haben deutlich!“ Begeistert über die neuen Worte schwatzte der Papagei munter weiter.
    „Vielleicht ist er auch selbst der Paradiesvogel. Der soll doch bunte Federn haben.“
    „Paradiesvogel selbst. Selbst bunt Paradiesvogel.“
    Die Spatzen jubelten. „Wir wollten schon aufgeben — und da ist er plötzlich, ohne daß wir ihn suchen mußten.“
    „Aufgeben schon da. Da plötzlich ist Paradiesvogel.“ Der Papagei zerkaute jedes neue Wort genüßlich zwischen seinem gebogenen Schnabel. Vor allem der Klang des Wortes „Paradiesvogel“ gefiel ihm. Immer wieder brabbelte er vor sich hin: „Paradiesvogel. Paradiesvogel. Paradiesvogel ..
    Die Spatzen waren fest davon überzeugt, am Ziel zu sein. Einige merkten jedoch schon bald, daß der Papagei sie überhaupt nichts lehren konnte, da er ja nur  Worte nachsprach, die er kurz zuvor gehört hatte. Seltsamerweise konnten die Spatzen, welche dies bemerkt hatten, nur wenige Freunde von ihrer Meinung überzeugen.
    „Das ist ja seine Weisheit“, riefen viele, „er drängt uns nichts auf, will uns nichts lehren, uns von nichts überzeugen, weil er weiß, wie klug wir sind.“
    Nach heftigen Auseinandersetzungen im Spatzenschwarm flog nur ein kleiner Teil weiter, um den Paradiesvogel zu suchen. Die Mehrheit blieb zurück beim Papagei und freute sich, wenn sein ständig fließender Wortschwall ihre eigenen  Worte wiederholte.
    Die restlichen Spatzen flogen wieder sehr lange. Stürme zerzausten ihnen die Federn, Gewitter schüttelten die kleinen Körper und einmal fiel sogar Schnee und sie froren erbärmlich. Müde und erschöpft versammelten sie sich auf der Erde in der Nähe eines großen Schwarmes frecher Meisen, um ein wenig Atem zu holen.
    Die Meisen kümmerten sich überhaupt nicht um die Spatzen. Hatten sie doch genug zu schwatzen und zu erzählen, Krumen aufzupicken und mit dem Wind zu spielen.
    Die Spatzen aber — ratlos, wie es denn nun weitergehen solle -näherten sich den Meisen und fragten: „Sagt mal, wißt ihr vielleicht, wo wir den Vogel finden können, der Paradiesvogel genannt wird?“
    Die Meisen hoben nur kurz den Kopf, denn sie waren gerade damit beschäftigt, einen sehr langen Regenwurm aus der Erde zu ziehen.
    „Klar doch! Wissen wir! Aber helft uns zuerst einmal, diesen langen Wurm aus der Erde zu ziehen, damit wir heute abend ein kleines Festessen machen können.“
    Obwohl die Spatzen ziemlich ungeduldig waren, packten sie mit an und halfen, den sich windenden Wurm aus dem Boden zu ziehen.
    Am Abend, nachdem sie zusammen den Wurm verspeist hatten und sich wohlig die Bauchfedern glattstrichen, wiederholte einer der Spatzen die Frage: „Könnt ihr uns wirklich sagen, wo wir den Paradiesvogel finden?  Wir wollen ihn nämlich sehr gerne kennenlernen.“
    „Aber natürlich“, erwiderten die Meisen gemächlich, „kommt morgen einfach mit, dann werdet ihr ihn schon sehen.“
    Daraufhin tuschelten die Meisen noch ein wenig, kuschelten sich zusammen und schliefen ein. Den Spatzen blieb nichts weiter übrig, als auch zu schlafen. Am nächsten Morgen erwachten sie durch die fröhliche Balgerei der Meisen, die unter der aufgehenden Sonne spielten.
    „Sagt uns endlich“, riefen sie den Meisen zu, „wo wir den Paradiesvogel finden, damit wir losfliegen können.“
    „Nur ruhig“, antworteten die Meisen. „Eßt zuerst einmal etwas! Wir führen euch schon an die richtige Stelle.“
    Die Spatzen aßen und tranken voll Ungeduld, und als sie damit fertig waren, folgten sie den Meisen, die alle auf einem großen Baum in der Nähe saßen.
    „Wir haben gegessen, getrunken und sind jetzt bereit. Wo also finden wir den Paradiesvogel?“
    „Hier“, sagten die Meisen und kreisten kurz, bis sie vor dem großen Baum auf der lehmigen Erde saßen.
    Die Spatzen folgten ihnen.
    „Was soll das?“, ereiferten sie sich, „wo ist der Paradiesvogel?“ Die Meisen nickten nur kurz in Richtung der Spatzen: „Wartet ab. Habt ein wenig Geduld.“
    Dann saßen die Meisen ganz still vor
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