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Die Farbe der See (German Edition)

Die Farbe der See (German Edition)

Titel: Die Farbe der See (German Edition)
Autoren: Jan von der Bank
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hätte, dass auch Ole in den anstößigen morgendlichen Vorfall hineingeschlittert war? Kurz huschte das Bild von schlafzerzausten blonden Locken und der Verheißung weicher weiblicher Formen unter Seide vor Oles innerem Auge vorbei, und sicherheitshalber ging er etwas tiefer hinter der wuchtigen Nähmaschine in Deckung.
    »Hab gehört, das Fräulein Sønstebye hat ihm noch ordentlich eins auf die Nase gegeben, bevor sie die Leiter umgestoßen hat«, sagte Rausch beiläufig.
    Oles Chef war ein kräftiger, untersetzter Mann Ende vierzig mit tätowierten Unterarmen, kahlem Kopf und kleinen, klugen Augen, der sich auch von einem aufgebrachten Marineoffizier auf seinem Schnürboden nicht aus der Ruhe bringen ließ.
    »Allerdings. Sein Nasenbein ist genauso in Stücke gegangen wie sein Unterschenkel!«, schnaubte von Wellersdorff, und zum ersten Mal sah er wieder etwas zufriedener aus. »Das spricht sich ja verdammt schnell rum. Woher wissen Sie das denn schon wieder?«
    Oles Meister und der Konteradmiral kannten und schätzten sich seit vielen Jahren, seit Rausch unter von Wellersdorff als Takelmeister und Ausbilder auf einem Segelschulschiff der Kriegsmarine zur See gefahren war.
    »Können Sie sich doch denken, Herr Admiral. Von einem der beiden Italiener, die mit von der Partie waren. Dem Vorschoter von Straulino. Der konnte natürlich nicht die Klappe halten.«
    »Die Brüder werde ich mir auch noch vorknöpfen«, brummte von Wellersdorf. »Die haben ihn schließlich abgefüllt und zu dieser unseligen Wette angestachelt!«
    Zu Oles Erleichterung sprang er jetzt endlich vom Schnürboden, ließ sich schnaufend auf einem großen Ballen Segeltuch nieder und sah nachdenklich aus dem Fenster. Das Tackern von Oles Nähmaschine war einen Moment lang das einzige Geräusch im Raum.
    Rausch zog ein Taschenmesser hervor und begann angelegentlich an einem Stück Kautabak herumzusäbeln.
    »Und was machen Sie jetzt?«, fragte er.
    Ein rechtschaffen großer Priem verschwand in seinem Mund.
    »Was denken Sie wohl?«, knurrte von Wellersdorff. »Sowie er transportfähig ist, schicke ich ihn zurück nach Mürwik. Da kann er meinetwegen Unkraut zupfen oder Rost klopfen, bis ich zurück bin und mir überlegt habe, ob ich ihn degradiere oder zu den Gebirgsjägern versetze. Damit er bei denen klettern lernt, verdammt noch eins! An meine Vorschot jedenfalls lass ich den nicht mehr!«
    »Ich meine nicht Leutnant Heikell«, sagte Rausch langsam und kratzte sich bedächtig an der Glatze. »Ich meine die Regatta. Heute wird doch bestimmt gesegelt, bei dem netten Windchen da draußen.«
    »Hmm. Allerdings. Zwei Läufe sogar. Um den Flautenausfall aufzuholen.«
    Oles Nähmaschine tackerte jetzt nur noch sehr langsam. Auch wenn er nicht wagte, den Kopf zu heben und hinüberzusehen, so wollte er doch auf keinen Fall irgendetwas von dem verpassen, was jetzt gesprochen wurde.
    »Und das ist genau das Fatale«, fuhr der Konteradmiral fort. »Ich habe versucht, einen Ersatzmann zu bekommen. Koppenhagen oder Leutnant Brokstedt von der Ausbildungskompanie oder irgendeinen Hauptbootsmann, der halbwegs segeln kann. Aber die sind inzwischen alle auf Alarm gesetzt und können nicht raus.« Er seufzte inbrünstig. »Dagegen kann selbst ich nichts machen. Und wenn ich zehnmal der Leiter der Offiziersschule bin.«
    »Muss es denn einer von Ihren Jungs sein?«
    »Nein. Aber bei der Luftwaffe sieht es genauso aus. Und die vom Heer … na ja, Sie wissen schon. Die sollte man wirklich nur fragen, wenn es um Pferde geht.«
    »Ich dachte eher an einen Zivilisten. Oder widerspricht das irgendwelchen Vorschriften?«
    Von Wellersdorff überlegte. Der Gedanke war ihm offensichtlich noch gar nicht gekommen.
    »Nein … im Grunde genommen nicht. Hätten Sie denn wen?«
    Heribert Rausch antwortete nicht.
    Ole hielt unwillkürlich die Luft an. Es war jetzt plötzlich mucksmäuschen still. Verdammt, er hatte ja auch vergessen, das Pedal seiner Nähmaschine weiter zu treten.
    Dann bemerkte er, dass sowohl der Meister als auch von Wellersdorff zu ihm herübersahen. Rasch senkte er den Blick. Verflucht und zugenäht! Musste er in solchen Situationen immer rot anlaufen wie ein Backfisch beim ersten Stelldichein?
    »Na, jetzt komm schon raus aus dem Karnickelloch, Junge!«, brummte der bullige Segelmacher und spuckte geräuschvoll seinen Priem aus. »Du willst doch nicht kneifen, wenn die See dich ruft?«
    *
    Ein Starboot war eine kleine, kantige Kiste von Segelboot, sehr schmal
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