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Die Farbe der Gier

Die Farbe der Gier

Titel: Die Farbe der Gier
Autoren: Die Farbe der Gier
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hatten schon seit einiger Zeit gewusst, dass Fenston eine der größten impressionistischen Sammlungen anhäufte. Neben Steve Wynn, Leonard Lauder, Anne Dias und Takashi Nakamura gehörte er regelmäßig zu den letzten Bietern 20
    bei großen Auktionen. Bei solchen Sammlern verwandelte sich ein unschuldiges Hobby rasch in eine Sucht und wurde so intensiv wie ein Drogenrausch. Für Fenston, der von allen großen Impressionisten außer van Gogh mindestens ein Werk besaß, war allein der Gedanke, eine Arbeit des holländischen Meisters zu erwerben, wie ein Schuss pures Heroin, und sobald er einen Kauf getätigt hatte, sehnte er sich bereits nach dem nächsten Schuss, begab sich wie ein zittriger Süchtiger auf die Suche nach einem Dealer. Und dieser Dealer war Anna Petrescu.
    Als Fenston in der New York Times las, dass Anna Sotheby’s verlassen hatte, bot er ihr sofort eine Stelle in seinem Vorstand an, mit einem Gehalt, das widerspiegelte, wie ernst es ihm mit dem weiteren Ausbau seiner Sammlung war. Den Ausschlag gab für Anna, dass Fenston ebenfalls aus Rumänien stammte. Er rief Anna immer wieder ins Gedächtnis, dass er ebenso wie sie dem tyrannischen Regime Ceauceşcus entronnen war und in Amerika eine Zuflucht gefunden hatte.
    Innerhalb weniger Tage nach ihrem Eintritt in die Bank unterzog Fenston Annas Fachwissen einer Prüfung. Die meisten Fragen, die er ihr bei ihrem ersten Mittagessen stellte, betrafen Annas Kenntnisse hinsichtlich der großen Sammlungen, die sich in zweiter oder dritter Generation immer noch in Familienbesitz befanden. Nach sechs Jahren bei Sotheby’s kam kaum eine bedeutende impressionistische Arbeit unter den Hammer, die nicht durch Annas Hände gelaufen oder zumindest von ihr begutachtet und dann ihrer Datenbank hinzugefügt worden war.
    Eine der Lektionen, die Anna schon kurz nach ihrer Einstellung bei Sotheby’s gelernt hatte, war, dass es sich bei altem Geld eher um den Verkäufer und bei neuem Geld eher um den Käufer handelte, und so war sie ursprünglich auch in Kontakt mit Lady Victoria Wentworth gekommen, der ältesten Tochter des siebten Earl of Wentworth – altes, altes Geld – und zwar im Auftrag von Bryce Fenston – nouveau, nouveau riche.
    21
    Anna staunte über Fenstons Besessenheit in Hinblick auf die Sammlungen anderer Leute, bis sie herausfand, dass es seine Firmenpolitik war, Kunstwerke als Sicherheit für die Vergabe riesiger Kredite zu nehmen. Nur wenige Banken waren bereit,
    ›Kunst‹ als Sicherheit in Betracht zu ziehen, gleichgültig in welcher Form. Grundbesitz, Wertpapiere, Häuser, sogar Schmuck, aber nur selten Kunst. Banker verstanden den Markt oft nicht und zögerten, den Kunstbesitz ihrer Kunden einzuziehen, nicht zuletzt deshalb, weil das Lagern der Kunstwerke, ihre Versicherung und schließlich der Verkauf häufig nicht nur zeitaufwendig waren, sondern auch unpraktisch.
    Fenston Finance bildete die große Ausnahme. Anna brauchte nicht lange, um den Grund dafür herauszufinden. Fenston liebte die Kunst nicht wirklich und kannte sich nicht einmal besonders gut aus. Aber es dauerte lange, bis Anna seine wahren Absichten durchschaute.

    Einer der ersten Aufträge führte Anna nach England. Sie sollte den Wert des Besitzes von Lady Victoria Wentworth schätzen, einer potenziellen Kundin, die bei Fenston Finance ein beträchtliches Darlehen beantragt hatte. Die Wentworth-Sammlung erwies sich als typisch englisch. Der zweite Earl, ein exzentrischer Aristokrat mit viel Geld, beachtlichem Geschmack und einem guten Auge, hatte sie aufgebaut und war von späteren Generationen als begabter Amateur eingestuft worden. Von seinen Landsleuten hatte er Romney, West, Constable, Stubbs und Morland erworben, außerdem einen herrlichen Turner: Sonnenuntergang in Plymouth.
    Der dritte Earl zeigte keinerlei Interesse an künstlerischen Dingen, darum setzte die Sammlung Staub an, bis der vierte Earl den Besitz erbte. Und der besaß den scharfen Kennerblick seines Großvaters.
    Jamie Wentworth verbrachte fast ein Jahr fern seiner Heimat im Exil, währenddessen er sich dem unterzog, was man 22
    seinerzeit die ›Große Bildungsreise‹ nannte. Er besuchte Paris, Amsterdam, Rom, Florenz, Venedig und Sankt Petersburg, dann kehrte er mit einem Raphael, einem Tintoretto, einem Tizian, einem Rubens, einem Holbein und einem van Dyck nach Wentworth Hall zurück – ganz zu schweigen von seiner italienischen Ehefrau. Charles, der fünfte Earl, war ebenfalls Sammler: nicht von
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