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Die Familie ohne Namen

Die Familie ohne Namen

Titel: Die Familie ohne Namen
Autoren: Jules Verne
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verlangte dieser militärische Maßregeln, und zwar ohne Aufschub.
    Am 7. Mai des laufenden Jahres hatte eine Versammlung zu St. Ques, einem kleinen Flecken in der Grafschaft Richelieu, die Führer der Reformer vereinigt. Hier berieth man die Beschlüsse, welche das politische Programm der franco-canadischen Opposition bilden sollten.
    Unter Anderem verdient davon der folgende Satz hervorgehoben zu werden:
    »Canada muß sich wie Irland um einen Mann schaaren, der ebenso von Haß gegen jede Unterdrückung, wie von Liebe zu seinem Vaterlande erfüllt ist, und den nichts, weder Versprechungen noch Drohungen, jemals in seinen Entschlüssen schwankend machen kann.«
    Dieser Mann war kein anderer als der Abgeordnete Papineau, dem die öffentliche Meinung mit Recht den Titel eines O’Connell beilegte.
    Gleichzeitig beschloß die Versammlung, sich »so viel wie möglich von der Benützung eingeführter Waaren fern zu halten und nur Erzeugnisse des eigenen Landes zu gebrauchen, um der Regierung die Einkünfte aus den, auf die fremden Waaren gelegten Eingangszöllen zu entziehen.«
    Auf diese Erklärung mußte Lord Gosford am 15. Juli durch eine Proclamation antworten, welche jede aufreizende Vereinigung verbot und den Behörden und Officiellen der Miliz den Befehl ertheilte, dieselbe unverzüglich aufzulösen.
    Die Polizei arbeitete nun mit einem Eifer, der sich kaum zügeln ließ; sie verwendete ihre geriebensten Agenten und schreckte sogar nicht davor zurück, Verräthereien – wie das schon vorgekommen war – durch die Lockspeise beträchtlicher Geldsummen zu provociren.
    Doch wenn Papineau der Mann war, der offen hervortrat, so gab es noch einen anderen, der im Dunkeln und so geheimnißvoll wirkte, daß selbst die bedeutendsten Reformer ihn nur bei den seltensten Gelegenheiten von Auge zu Auge kennen gelernt hatten. Um diese Persönlichkeit hatte sich schon eine wirkliche Legende gewoben, die dem Manne einen ganz außergewöhnlichen Erfolg auf den Geist der Massen sicherte: Johann ohne Namen – man kannte ihn eben nur unter dieser räthselhaften Bezeichnung. Es konnte also nicht Wunder nehmen, daß auch von ihm in dem Gespräche des General-Gouverneurs und seiner Gäste die Rede war.
    »Und von diesem Johann ohne Namen, fragte Sir John Colborne,… hat man seine Spuren aufgefunden?
    – Noch nicht, erwiderte der Polizeiminister; ich habe jedoch alle Ursache zu glauben, daß er in den Grafschaften von Unter-Canada aufgetaucht und neuerdings selbst nach Quebec gekommen ist.
    – Wie, und Ihre Leute haben ihn nicht anhalten können? rief Oberst Gore.
    – Das ist nicht so leicht, Herr General.
    – Besitzt dieser Mann denn wirklich den Einfluß, den man ihm zuschreibt? warf Lord Gosford ein.
    – Gewiß, versicherte der Minister, und ich kann Eurer Herrlichkeit nur sagen, daß dieser Einfluß ein sehr großer ist.
    – Wer ist überhaupt dieser Mann?
    – Darüber hat man eben niemals klar werden können, sagte Sir John Colborne, nicht wahr, lieber Argall?
    – Gewiß, Herr General. Man weiß nicht, wer diese Persönlichkeit ist, woher er kommt oder wohin er geht. So hat er, fast unsichtbar, bei den letzten Aufständen die Hand im Spiele gehabt. Es ist auch gar nicht zweifelhaft, daß Leute wie Papineau, Viger, Lacoste, Vaudreuil, Farran, Gramont, überhaupt alle Führer, im gegebenen Augenblicke auf sein Eingreifen rechnen. Dieser Johann ohne Namen ist schon mehr zum übernatürlichen Wesen geworden, vorzüglich in den Landschaften des St. Lorenzo stromaufwärts von Montreal, wie stromabwärts von Quebec. Kann man der Legende Glauben schenken, so hat er völlig das Zeug dazu, um Stadt und Land mit sich fortzureißen: eine außergewöhnliche Kühnheit, einen beispiellosen Muth. Dazu kommt, wie schon erwähnt, das Geheimniß, der Reiz des Unbekannten.
    – Sie meinen also, daß er in letzter Zeit einmal nach Quebec gekommen sei? fragte Lord Gosford.
    – Die amtlichen Berichte der Polizei lassen das wenigstens vermuthen, antwortete Gilbert Argall. Ich habe übrigens auch einen Mann, und zwar einen der tüchtigsten und feinsten, aufgeboten, jenen Rip, der in der Geschichte mit Simon Morgaz so viel Intelligenz entwickelt hatte.
    – Simon Morgaz, wiederholte Sir John Colborne, derselbe, der 1825 zu so gelegener Zeit um Geld seine Genossen der Verschwörung von Chambly verrathen hatte?….
    – Derselbe.
    – Und weiß man, wo dieser ist?
    – Man weiß nur das Eine, erklärte Gilbert Argall, daß er, von allen Genossen
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