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Die Familie ohne Namen

Die Familie ohne Namen

Titel: Die Familie ohne Namen
Autoren: Jules Verne
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Ursprungs aufweisen. Ich halte das nicht eben für staatsklug – es würde auf beiden Seiten Blut kosten.«
     

    Sir John Colborne. Gilbert Argall. Colonel Gore. Lord Gosford.
     
    Das war wirklich zu befürchten. Die letzten vom englischen Parlamente angenommenen Maßnahmen hatten eine Aufregung erweckt, welche nur auf die Gelegenheit wartete, unverhüllt hervorzutreten. Geheime Zusammenkünfte, öffentliche Meetings, erhitzten die Köpfe noch weiter. Von Worten mußte man bald zu Thaten übergehen. Zwischen den Reformern und den Parteigängern der angelsächsischen Herrschaft in Montreal wie in Quebec kam es schon zu aufreizenden Herausforderungen; vorzüglich die Mitglieder der constitutionellen Vereinigungen traten dabei mehr hervor. Der Polizei war es wohl bekannt, daß ein Aufruf zu den Waffen in allen Districten, Grafschaften und Kirchspielen verbreitet worden war. Ja, es ging bereits so weit, daß man den General-Gouverneur in
effigie
henkte. Es galt also Gegenmaßregeln zu treffen.
    »Ist Herr de Vaudreuil in Montreal gesehen worden? fragte Lord Gosford.
    – Er scheint seine Wohnung in Montreal verlassen zu haben, antwortete Gilbert Argall. Seine Freunde Farran, Clerc und Vincent Hodge besuchen ihn dagegen häufig und stehen in täglicher Verbindung mit den liberalen Abgeordneten und vorzüglich mit dem Rechtsanwalte Gramont in Quebec.
    – Wenn es zu einer Bewegung kommt, meinte Sir John Colborne, so unterliegt es keinem Zweifel, daß diese von den Genannten vorbereitet ist.
    – Wenn man sie nun verhaften ließe, ließ sich Oberst Gore vernehmen, vielleicht würden Eure Herrlichkeit damit die Empörung im ersten Keime ersticken?…
    – Wenn sie dadurch nicht noch früher zum Ausbruche käme!« antwortete der General-Gouverneur.
     

    Ja, es ging bereits so weit, daß man den General-Gouverneur in
effigie
henkte. (S. 16.)
     
    Er wandte sich hierauf an den Polizeiminister.
    »Wenn ich nicht irre, fragte er, haben Herr de Vaudreuil und seine Freunde schon bei den Aufständen von 1832 und 1835 eine Rolle gespielt?
    – Gewiß, bestätigte Sir Gilbert Argall, wenigstens hat man alle Ursache, das zu vermuthen. Freilich fehlt es dafür an directen Beweisen, so daß es unmöglich wurde, jene gerichtlich zu verfolgen, wie das gelegentlich des Complots von 1825 geschehen war.
    – Dennoch gilt es, sich diese Beweise um jeden Preis zu beschaffen, sagte Sir John Colborne, und um ein für allemal mit den Schlichen der Reformer fertig zu werden, lassen wir sie erst ein Stück weiter vorwärts gehen. Es gibt nichts schlechteres als einen Bürgerkrieg, das weiß ich recht gut; doch wenn es zu einem solchen kommt, dann werde er auch ohne Schonung geführt und es möge der Kampf zu Gunsten Englands ausgehen!«
    In dieser Weise zu sprechen, lag ja ganz in der Rolle des Oberbefehlshabers der englischen Streitkräfte in Canada. Wenn Sir John Colborne der Mann dazu war, eine Empörung mit eiserner Strenge zu unterdrücken, so hätte es doch seinem soldatischen Geiste widersprochen, sich auf geheime Ueberwachungen einzulassen, welche das besondere Gebiet der Polizei sind. Es folgt daraus, daß es schon seit mehreren Monaten ausschließlich den Beamten Gilbert Argall’s zufiel, ohne Aufsehen die geheime Thätigkeit der franco-canadischen Partei zu überwachen.
    Die Städte, die Kirchspiele des St. Lorenzothales und vor Allem diejenigen der Grafschaften Verchères, Chambly, Laprairie, Acadien, Terrebonne und Deux Montagnes wurden unaufhörlich von zahlreichen Geheimpolizisten des Ministeriums durchstreift.
    In Montreal machte es sich wegen Mangels der constitutionellen Vereinigungen, deren Auflösung der Oberst Gore bedauerte, der Doric-Club – seine Mitglieder zählten zu den waschechtesten Loyalisten – zur besonderen Aufgabe, die Aufständischen auf jede mögliche Weise zu beschränken und zu unterdrücken. Lord Gosford mußte auch wirklich fürchten, daß es in jeder Stunde des Tages oder der Nacht zu einem Ausbruche kommen könnte.
    Es erscheint begreiflich, daß die Umgebung des General-Gouverneurs diesen trotz seiner versöhnlichen Neigungen drängte, die Bureaukraten – so nannte man die Anhänger der Autorität der Krone – zu unterstützen gegen die Parteigänger der nationalen Sache. Uebrigens war Sir John Colborne kein Freund von halben Maßregeln, wie er das später bewies, als er Lord Gosford in der Verwaltung der Colonie folgte. Was den Oberst Gore, einen alten, bei Waterloo decorirten Soldaten anging, so
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