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Die Falschmünzer vom Mäuseweg

Die Falschmünzer vom Mäuseweg

Titel: Die Falschmünzer vom Mäuseweg
Autoren: Stefan Wolf
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hatte weder Lust noch Zeit, sich mit ihnen anzulegen. Dass
er weit und breit der beste Judoka (Judokämpfer) war, mit 13 Jahren
immerhin schon Braun-Gürtel-Träger, zeigte er ohnehin nur dann, wenn man ihn in
die Enge trieb.
    Davon konnte jetzt keine Rede
sein, denn die Abteiltür stand offen.
    Rasch schob er Gaby vor sich
her und die Stufen hinauf.
    So, der blonde Schatz der
TKKG-Bande war erst mal in Sicherheit.
    »Heh, heh!«, gröhlte Krummbein.
»Seht euch diese Saftheinis an! ne Brillenschlange! ‘n Fettkloß! Lind ne
eingebildete Gans mit ihrem Macker!«
    »Wollen wir sie in den Hintern
treten, hicks?«, lallte Rotschopf. Seine Stimme knarzte wie verrostete
Türangeln. »Das wäre Einsteighilfe! Dann kommen sie rascher ins Abteil, hahah!«
    »Los, Willi!«, sagte Tarzan.
    Und Klößchen schob sich rasch
an ihm vorbei in den Wagen. Dort ließ er einen quietschenden Schrei los, der
stark nach Überraschung klang.
    Aber Tarzan konnte sich nicht
darum kümmern. Er hatte sich umgedreht und behielt die Ledertypen im Auge.
    Sie entfernten sich. Gröhlend
zogen sie in Richtung Dengenbach. Aber jetzt blieb das Mädchen stehen. Sie
legte den Mohrrübenkopf in den Nacken und nahm einen langen Zug aus der
Schnapsflasche, die ihr Krummbein an den Mund hielt.
    Karl hatte sich gebückt und
suchte im Schnee herum.
    »Schnell, Karl! Der Zug fährt
ab. Was suchst du denn?«
    »Meine Brille.«
    Tarzan wollte sich an der Suche
beteiligen, aber Karl sagte: »Ah, da ist sie.«
    Er wischte den Schnee ab und
setzte sie auf die Nase.
    »Wie ist denn die
runtergefallen?«
    Karl grinste verlegen. »Der
Große — der mit dem Raubvogelgesicht hat sie mir runtergeschlagen.«
    »Was?«
    »Ja. Du hattest dich gerade
abgewandt und Gaby hineinbugsiert. Ich wollte keinen Stunk machen, sonst wäre
ja gleich was losgewesen — wie ich dich kenne — , und wir hätten die Abfahrt
verpasst. Deshalb habe ich das geschluckt. Aber eine Gemeinheit ist es.«
    Sie stiegen ein. Tarzan schlug
die Tür zu.
    Zwei Schritte machte er in das
große Abteil. Dann blieb er wie angewurzelt stehen.
    Es gab keine Fahrgäste — außer
den TKKG-Freunden. Außerdem gab es kaum noch was, wo man hätte Platz nehmen
können.
    Gaby ließ ihren hübschen Mund
offen und machte Kulleraugen wie eine erschrockene Puppe. Seit sie im Wagen
war, betrachtete sie dieses Chaos.
    Klößchen machte ein Gesicht,
als hätte er eben erfahren, es gäbe ab morgen keine Schokolade mehr.
Fassungslosigkeit und Schreck breiteten sich über sein Mondgesicht.
    Karl traute seiner Brille
nicht. Während er sie heftig polierte, blinzelte er kurzsichtig in die Gegend.
    Bänke und Sitze waren
herausgerissen. Was sich zerbrechen ließ, war zerbrochen. Was sich zerschlagen
ließ, war zerschlagen — mit Ausnahme der Fensterscheiben. Was sich aufschlitzen
ließ, war mit scharfem Messer zerschlitzt.
    Ein unbeschreibliches Chaos.
Vandalismus (Zerstörungswut) hatte hier gewütet.
    »Da... das...«, stotterte
Klößchen, »muss eine ganze Kompanie Tobsüchtiger gewesen sein.«
    »Sogar die Aschenbecher«, sagte
Gaby, »sind aus der Verankerung gerissen.«
    »Der Schaden geht in die
Tausende«, stellte Karl fest. Er rückte sein Nasenfahrrad zurecht. »Kein
Wunder, dass die Bundesbahn so knapp bei Kasse ist. Es scheint recht unfeine
Fahrgäste zu geben.«
    »Aber wer war das?«, fragte
Klößchen entgeistert.
    »Dreimal darfst du raten«,
sagte Tarzan. »Die das hier angerichtet haben, sind Typen, die zu jeder Zeit
aus der Schnapsflasche trinken, friedliche Leute anpöbeln, handgreiflich
werden, anderen die Brille runterschlagen und im Zerstören, Kaputtmachen,
Prügeln und Beleidigen ihren Lebensinhalt sehen — weshalb auch immer.
Sicherlich hat auch solche Gemeinheit ihre Ursache, wie man ja weiß. Vielleicht
haben die Betreffenden in frühester Kindheit zu viel oder zu wenig Kloppe
gekriegt, zu viel oder zu wenig Streicheleinheiten von ihren Eltern. Oder sie
hatten keine Eltern — oder was weiß ich! Aber darum geht es nicht. Es geht
darum, dass jemand, der bis drei zählen kann, auch Recht von Unrecht
unterscheiden sollte. Das tun die vier Ledertypen bestimmt nicht. Und ich wette
mein Rennrad gegen eine Tafel von Klößchens ranziger Schokolade: Die waren es.«
    »Meine Schokolade«, sagte
Klößchen, »ist von erster Qualität und niemals ranzig.«
    Tarzan seufzte. Sein gut
genährter Freund hatte es manchmal an sich, Nebensächlichkeiten in den
Vordergrund zu rücken.
    Der Zug fuhr jetzt mit
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