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Die falsche Tochter - Roman

Die falsche Tochter - Roman

Titel: Die falsche Tochter - Roman
Autoren: Nora Roberts
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sie nicht mehr draußen gewesen, und die Aussicht auf die bevorstehende Feldforschung beflügelte sie so sehr, dass sie ihren Wagen rücksichtslos durch den Verkehr lenkte.
    Sie kannte Leo Greenbaum gut und hatte seiner Stimme angehört, wie aufgeregt er war. Er war definitiv nicht der Mann, der sie nach Baltimore holte, um ihr ein paar Knochen zu zeigen, wenn diese Knochen nicht sehr interessant waren. Callie brauchte weiß Gott ein weiteres Projekt. Es langweilte sie zu Tode, Vorträge zu halten, Berichte für Magazine zu schreiben oder Berichte zu lesen, die ihre Kollegen für die gleichen Magazine geschrieben hatten. Archäologie hatte für Callie nichts mit Unterrichten oder Veröffentlichungen zu tun. Für sie lag der Reiz dieses Berufes darin, dass sie in der Erde wühlen konnte, in der Sonne braten, im Regen ertrinken, im Schlamm versinken und bei lebendigem Leib von Insekten aufgefressen werden. Das war für sie der Himmel.
    Als die Nachrichten aus dem Autoradio tönten, schaltete sie den CD-Player ein. Diesen starken Autoverkehr konnte sie nur mit lauter, harter Rockmusik ertragen – zu viel Gerede störte sie nur. Die ersten Klänge eines Songs von Metallica ertönten, und sofort hob sich ihre Stimmung. Sie tippte im Takt mit den Fingern auf das Lenkrad, dann riss sie es herum und scherte erneut in eine Lücke auf der Nebenspur ein. Ihre goldbraunen Augen funkelten hinter der Sonnenbrille.
    Callie trug ihre Haare lang, weil sie sie so leichter zusammenbinden oder unter einem Hut aufstecken konnte, wie sie es auch an diesem Tag getan hatte. So brauchte sie sich keine Gedanken über den Schnitt oder die Frisur zu machen. Außerdem war sie eitel genug, um zu wissen, dass ihr die glatten langen
honigblonden Haare gut standen. Sie hatte große Augen mit Brauen, die fast gerade waren. Jetzt, mit beinahe dreißig, wirkte ihr Gesicht nicht mehr so niedlich wie früher, aber sehr attraktiv. Wenn sie lächelte, entstanden drei Grübchen auf ihrem Gesicht, eins auf jeder gebräunten Wange und das dritte genau über dem rechten Mundwinkel. Das sanft geschwungene Kinn verriet nichts von jener Eigenschaft, die ihr Ex-Mann als grenzenlose Sturheit bezeichnet hatte. Allerdings konnte sie dasselbe von ihm behaupten, was sie auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit tat.
    Callie tippte leicht auf die Bremse und bog schwungvoll auf einen Parkplatz ein. Leonard G. Greenbaum and Associates war in einem schmucklosen Stahlgebäude mit zehn Stockwerken untergebracht, das nach Callies Meinung keinen besonderen ästhetischen Wert hatte. Aber das Labor und die Techniker der Firma gehörten zu den besten im ganzen Land. Callie parkte den Landrover auf dem Besucherparkplatz ein und stieg aus. Sofort umfing sie die grauenhaft schwüle Hitze des Tages, und ihre Füße schwitzten bereits, bevor sie bis zum Eingang des Gebäudes gelangt war.
    Die Empfangsdame lächelte die Frau mit dem athletischen Körper, dem hässlichen Strohhut und der schicken Sonnenbrille freundlich an.
    »Dr. Dunbrook für Dr. Greenbaum.«
    »Tragen Sie sich bitte hier ein.«
    Die Frau reichte Callie einen Besucherausweis. »Dritter Stock.«
    Als sie zu den Aufzügen ging, blickte Callie auf ihre Armbanduhr. Sie war nur eine Dreiviertelstunde zu spät. Aber die Wirkung des Hamburgers, den sie während der Fahrt hinuntergeschlungen hatte, ließ bereits langsam nach. Sie überlegte, ob sie Leo wohl dazu überreden konnte, mit ihr zum Mittagessen zu gehen. Im dritten Stock traf sie auf eine weitere Empfangsdame. Dieses Mal wurde sie gebeten, sich einen Moment zu gedulden. Es machte ihr nichts aus zu warten. Nun ja, jedenfalls weniger als früher, gestand Callie sich ein, als sie sich
auf einen Stuhl sinken ließ. Aber ihre Arbeit erforderte nun einmal äußerste Geduld, sodass für andere Bereiche nicht mehr viel davon übrig blieb.
    Zum Glück ließ Leo sie nicht lange warten. Sein rascher Gang erinnerte Callie immer an einen Welsh Corgi – Leo hatte kurze, stämmige Beine, die sich für den Rest des Körpers viel zu schnell bewegten. Er war kleiner als Callie und hatte braune Augen und walnussbraun getöntes Haar, das er glatt zurückgekämmt trug. Sein schmales Gesicht war wettergegerbt und sonnengebräunt, und seine braunen Augen blitzten hinter einer randlosen eckigen Brille. Wie gewöhnlich trug er eine ausgebeulte braune Hose und ein zerknittertes Baumwollhemd. Aus sämtlichen Taschen lugten irgendwelche Papiere hervor. Er trat auf Callie zu und küsste
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