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Die Fallen von Ibex

Die Fallen von Ibex

Titel: Die Fallen von Ibex
Autoren: Jo Clayton
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mir eingefallen ist, sie zu identifizieren, ist da drauf. Daten. Leute. Ereignisse. Wie sie sein wird… nun, das weiß ich nicht, Ken-ti. Wir Vrya sind ein nachtragender Haufen, wie ich meine. Sieht so aus, als würde das an den Genen liegen. Nimm dich in acht vor ihr, aber mach dir keine Sorgen um mich. Wie immer sie auch sein wird - ich kann damit fertig werden. Und ich werde damit fertig werden.” Sie berührte mit dem Handrücken die Stirn, saß da, ein Auge abgedeckt, geschlossen, mehrere Minuten lang, dann stand sie auf und entfernte sich vom Tisch. „Das wäre alles, mein Freund. Laß es mich wissen, wenn du das erste Projekt auf die Beine gestellt hast. Meine zwei Jahre fangen an, wenn ich diesen Ort hier wieder betrete, in Ordnung?”
    „In Ordnung.”
    Sie gingen, und Esgard schaltete die Beleuchtung aus, bevor er die Tür hinter sich schloß. In der neu entstandenen Dunkelheit lie
    ßen die Wolken, die das Antlitz des Mondes überquerten, den Mondenschein im Turmgarten mit den Schatten tanzen. Ich sah zu, wie sie miteinander spielten, Mondenschein mit Wolkenschatten, und beinahe wäre ich im Baum eingeschlafen. Ein sich verkramp-fender Muskel in meinem Hinterteil weckte mich. Ich konnte mich kaum bewegen, so steif war ich vom langen Stillsitzen. Meine Hüfte spürte ich überhaupt nicht mehr, und das machte mir Angst.
    Ich fiel beinahe hinunter, und als ich endlich in mein Zimmer wankte, hatte ich gerade noch genügend Vernunft in mir, nicht das Kindermädchen zu rufen, das sich um mich kümmerte - erst mußte ich die Saftspuren abwaschen und ein sauberes Nachthemd anziehen.
    Dreißig Jahre später kam das Halbblut Aleytys tatsächlich in das Haus Esgard - auf der Suche nach jener Botschaft. Ob sie das Buch bei sich hatte oder nicht - dieses Buch mit Shareems Brief -, ich weiß es nicht, und genaugenommen spielt es auch keine Rolle. Wer sie war, das war klar genug.
    Ich habe sie belogen; ich habe Dinge angedeutet… und andere Dinge verschwiegen. Ich habe mit ihr gespielt wie mit einer Marionette; ich habe an den Fäden gezogen, und sie mußte tanzen. Es war und ist ein gutes Gefühl. Vielleicht kommt der Tag, da ich mich verantworten muß für das, was ich getan habe, doch bedauern werde ich es nie.

II
Aleytys in Yastroo
    1
    Aleytys schlenderte die baumgesäumte Promenade entlang, die sich durch das Zentrum des Freihandelssektors der Yastroo-Enklave schlängelte - sie ging langsam, da sie es nicht eilig hatte, Gewißheit zu erlangen über ihre Zukunft; etwas, das sich ändern würde, wenn sie die Information hatte, die Kenton Esgard für sie bereithielt.
    Sie spazierte dahin und dachte:
    Ich habe lange gebraucht, um hierher zu kommen. Ich wünschte, ich könnte es hinausschieben. Ich frage mich, wie Esgard ist.
    Swardheld hat ihn mir beschrieben, aber das hilft nicht weiter.
    Seine Haare sind grau geworden, sein Gesicht gefurcht, ein alter Mann, unwirsch zu Leuten, die seine Zeit verschwenden. Groß, leicht gebeugt, ein zuckender Muskel neben seinem linken Auge.
    Die Vrya trauen ihm - meine Mutter wenigstens hat es getan.
    Meine Mutter…
    Sie zuckte zusammen, schloß die Hände zu Fäusten.
    Shareem Atennanthan von Vrithian, Tennanth-Sippe, abgestürzt auf Jaydugar und spät an einem Herbstabend ins Wadi Raqsidan gekommen.
    Vajd (der mich geliebt hat - aber das ist vorbei) hat mir folgendes erzählt, damals, als er mich noch liebte:
    Aab und Zeb gingen früh auf und küßten sich an jenem Abend, da sie kam, und die Wolken türmten sich über den Gletschern von Dandan und wurden von trockenen Winden in Fetzen gepeitscht, so daß die Nachtregen ausblieben. Auf dem Anger loderten die Freudenfeuer rot und golden in den Himmel und malten warme Schlaglichter über die herausgeputzten Jahrmarktsstände und die posierenden Sklavenfrauen und die Händler, welche die Dienste der Sklavinnen feilboten. Eine in Schwarz und in Weiß gekleidete Frau kauerte auf den Stufen eines Wohnwagens. Ihre Haare waren lang und glatt und allein an den Enden gelockt; sie glänzten wie Avrishum-Fasern im Licht der kleinen, silbernen Laterne, die über ihrem Kopf hing. Sie war eine strahlend schöne Frau mit Grünstein-Augen … Augen, die vor Fieber glänzten. Ihre Haare waren so rot wie Flammen - und noch mehr, so rot wie Horli, wenn sie ganz allein auf ihren Himmelsweg sich begibt. Und eine Schönheit war ihr zu eigen - eine Schönheit, die jeden Betrachter an der Kehle packt und ihn des Willens beraubt, sich abzuwenden. Sie
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