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Die Fährte der Toten

Die Fährte der Toten

Titel: Die Fährte der Toten
Autoren: Michael White
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Wüste wandern, bevor sie ihren Blick wieder auf Tanya richtet.
     
    'Ja, ich denke schon.'
     
    'Fürs Erste, stimmts? Fürs Erste ist es vorbei. Aber eigentlich wird es nie enden.'
     
    'Steht zu befürchten. Aber wir sind noch da. Du und ich. Das ist alles was zählt.'
     
    Lee erhebt sich, geht zu Tanya hinüber, zieht sie langsam zu sich heran und küsst sie sanft auf ihre Lippen.
     
    'Alles wird gut. '
     
    Lee schenkt Tanya ein Lächeln, bevor ihr Blick wieder zum Horizont wandert, an dem die Sonne nun vollständig ihr strahlendes Haupt erhebt.
     
    Zeit, nach Hause zu gehen.

 
Samhain / 7
     
    Höhnisch grinsende Totenschädel starren aus den Regalen auf die Kutte herab. Hinterlassenschaften aus lang vergangener Zeit. Die Kutte schaut sich um. Sie verfügt über die Ewigkeit, also warum sollte sie sich beeilen? In einer Ecke entdeckt sie schließlich das, wonach sie gesucht hat. Gemessenen Schrittes geht sie darauf zu, bückt sich und nimmt aus einem Haufen langsam zerfallender Knochen einen Totenschädel, der dem Verfall trotzt. Kurz scheint es, als würde ein Grinsen über die Schwärze huschen, wo doch ein Gesicht sein sollte, als die Kutte mit ihren Fingerkuppen über den glatten Schädelknochen streicht. Was dir gehört, das kehrt auch wieder zu dir zurück.
     
    Aus den leeren Augenhöhlen des Schädels beginnen blutige Tränen zu laufen, und ein unhörbarer, nur für die Kutte wahrnehmbarer Schrei des Entsetzens bricht sich zwischen den von Fäulnis befallenen elfenbeinweißen Zähnen Bahn. Die Kutte lächelt wieder, aber es ist ein böses, wissendes Lächeln. Sie kann die Angst spüren. Und sie genießt sie.
     
    'Willkommen zu Hause, Frank. Es gibt so viele Dinge, die ich dir zeigen kann – du wirst keine Langeweile haben...'
     
    Die Kutte ballt ihre knochige Hand zusammen, eine fast spielerische Bewegung, und der Schädel scheint in ihren Klauen zusammenzuschrumpfen, bis nichts weiter bleibt als die geschlossene Faust. Ein weiteres Souvenir für ihre Sammlung. Mit gemessenem Schritt bewegt sich die Kutte in Richtung der Schatten und lässt sich von ihnen wie von einem kühlen Mantel einhüllen.
     
    Zurück bleiben nur die namenlosen Toten, die nun, da ihre Rache vollendet ist, dem Ganzen mit mitleidsloser Gleichgültigkeit beigewohnt haben.
     
    ***
     
    Catherine spürt sofort, dass etwas nicht stimmt. Jemand war hier. In ihrem Refugium. Ein Eindringling. Wie kann das sein? Sie macht einen Schritt in den Flur hinein und erblickt einen blutigen Fußabdruck auf dem schneeweißen Teppich. Es ist wahr - jemand hat ihre Zuflucht betreten. Sie spürt kalte Wut in sich aufsteigen - wie kann jemand es wagen...
     
    Mit schnellen Schritten durchmisst sie die Wohnung. Alles sieht aus immer. Bis auf...
     
    Die Tür zu ihrem Spielzimmer steht offen, und instinktiv beginnt Catherine, ihre Gestalt zu verändern. Etwas ist falsch. Sie kann eine Präsenz spüren. Eine Präsenz, die sie noch nie zuvor wahrgenommen hat. Nicht die Kutte. Nein, diese ist anders. Und sie macht ihr Angst, wie sie teils verwundert, teils bestürzt feststellt.
     
    Langsam nähert sie sich der offenen Tür. Ihre feinen Sinne nehmen den Geruch von Blut wahr, der in der Luft hängt. Eine böse Vorahnung bemächtigt sich ihrer, als sie eintritt. Ihr Gefäß ist tot. Jemand hat ihm die Kehle durchgeschnitten und das kostbare, schmackhafte Blut einfach vergeudet. Was für eine Torheit. Dieser Geschmack – er war so exquisit...
     
    Genug, schilt sie sich. Jetzt ist keine Zeit für solche Lappalien. Das Ganze hier macht keinen Sinn. Warum sollte einer ihrer Art solch ein Risiko eingehen, um dann nichts weiter zu tun als –
     
    Dann sieht sie es. Auf einem Regal zwischen zwei erst kürzlich entzündeten Kerzen steht eine Urne, an der ein Briefumschlag aus teurem Büttenpapier lehnt. Mit schnellen Schritten geht Catherine zum Regal, nimmt den Umschlag in ihre Hände und öffnet ihn mit zittrigen Fingern. Eine Patrone rollt ihr in die Hand. Achtlos legt sie sie beiseite. Was soll das? Ihr Blick wandert wieder zu der Leiche, die mit teilnahmslosen Augen ins Nichts starrt. Eine blutige Botschaft ist mit scharfen Klauen in die Stirn geritzt worden:
     
    Frank Gettys
     
    R.I.P.
     
    Mehr nicht. Wozu auch? Welche Überraschung. Sie hat es also geschafft. Catherine verzieht den Mund. Ist das alles? Will sie ihr Angst machen? Dazu gehört mehr als ein zugegebenermaßen dreister Einbruch in ihre Zuflucht. Dann fällt ihr Blick noch einmal auf
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