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Die facebook-Falle

Die facebook-Falle

Titel: Die facebook-Falle
Autoren: Sascha Adamek
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einer Website für Werbekunden aus. Weil Google auch unsere IP-Adresse registriert, kann das Unternehmen Anzeigen auf den von uns angeklickten Seiten platzieren, die genau auf unsere Interessen und Bedürfnisse zugeschnitten sind. Facebook dagegen weiß noch sehr viel mehr über seine Nutzer – und das in Echtzeit. Dort
kennt man unsere Namen, unser Alter, unsere Interessen, Bedürfnisse Vorlieben und Abneigungen noch sehr viel besser, sodass der Konzern Werbung weit zielgenauer platzieren kann. Für die Werbeindustrie bedeutet dies langfristig den Abschied von der Belästigung durch unerwünschte Werbung, denn Facebook bindet die Konsumenten ein. Der »Gefällt-mir«- oder »Like«-Button hat inzwischen 350 000 Websites erobert. Wenn ich beispielsweise bei einem Musikvideo auf »Gefällt mir« klicke, sind alle meine Facebook-Freunde sofort über meinen musikalischen Geschmack informiert. Und seien wir ehrlich: Gibt es eine bessere Werbung als die Empfehlung durch unsere Freunde? Zugleich aber bietet dieses Instrument Facebook die Möglichkeit, unsere Interessen an die werbetreibende Industrie zurückzumelden.
    Was für die werbetreibende Wirtschaft vermutlich die beste Idee seit Jahrzehnten ist, wirft uns zugleich auf den mit Widrigkeiten gepflasterten harten Boden zwischenmenschlichen Zusammenlebens zurück. Denn wer sagt mir denn, dass meine Freunde überhaupt wissen wollen, was ich gerade gut gefunden habe? Ich hätte es höchstwahrscheinlich längst wieder vergessen, wenn ich einen von ihnen persönlich träfe. Facebook jedoch sorgt dafür, dass Unwichtiges dauerhaft Gewicht erhält. Und selbst deutsche Politiker lassen sich hier zu peinlichen Banalitäten hinreißen. Und während Facebook, Twitter und Co. in demokratischen Staaten das Niveau der politischer Information noch weiter verflachen, tappen in diktatorischen Ländern Menschen scharenweise in die Facebook-Falle. In Iran schlossen sich Menschen Online-Mobilisierungen der Opposition
an und wurden anschließend verhört oder inhaftiert. Denn auch das Regime betreibt Facebook-Accounts, um seine Gegner auszuforschen.
    Die Möglichkeit, uns vielen anderen gleichzeitig mitzuteilen, verlockt Menschen auf der ganzen Welt – aus unterschiedlichen Motiven. Wir alle dürfen uns wie Publizisten, Fotografen und Kameramänner fühlen. Ein Freund, der sich selbst als facebooksüchtig bezeichnet, schwärmt, die Plattform sei einzigartig, weil »ich ständig mit der ganzen Welt im Dialog stehe«. Er liebt es, auf der Straße oder in einem Lokal von Menschen erkannt zu werden, die ihn bislang nur von Facebook kannten. »So etwas ging früher nur, wenn man Dinge tat, die auch in der Zeitung oder im Fernsehen publiziert wurden.« Ist es also dieses aus der vermeintlichen Bedeutung des eigenen Tuns und der Beachtung der eigenen Person durch wildfremde Menschen im Netz resultierende Glücksgefühl, das uns alle zu mehr oder weniger Facebook-Süchtigen macht? Facebook ist Geben und Nehmen von Informationen, und wer sich einigelt und zu wenig von sich preisgibt, ist schnell wieder raus. Wer sich nach seiner Anmeldung bei Facebook in der Folge an Kommunikation nicht sonderlich interessiert zeigt und sich vielleicht nur alle paar Tage oder gar Wochen einloggt, der wird, so der Facebook-Jargon, »gedeadded«, sprich: ihm wird die Freundschaft gekündigt, er ist sozial tot. So jemand wird zum »Unfriend«, ein Wort, das die Herausgeber des Oxford American Dictionary im Jahr 2009 zum Wort des Jahres wählten.
    Das Ganze erinnert ein wenig an die Nöte von Sigmund Marx in Aldous Huxleys literarischer Zukunftsvision Schöne
neue Welt . Dort ist die Familie abgeschafft, und monogame Beziehungen sind geächtet. Jeder soll mit jedem alles teilen, und je mehr Sexualpartner jemand hat, desto besser. Huxleys Protagonist findet sich in dieser Welt nicht zurecht. Nicht weil er sexuell überfordert wäre, sondern weil er einfach mal für sich sein will. So fliegt er mit seiner Angebeteten namens Lenina einmal in einem Hubschrauber über das Meer. Er schaltet das Radio ab, weil er die Dauerberieselung nicht mehr erträgt und ausschließlich mit ihr den Anblick des Mondes genießen möchte:
    »Ich habe das Gefühl, als wäre ich mehr ich selbst, wenn du das verstehen kannst. Als wäre ich etwas Selbständiges, nicht nur ein Teilchen von etwas anderem. Nicht mehr nur eine Zelle im sozialen Organismus. Fühlst du das nicht auch, Lenina?«
    Lenina schluchzte: »O wie schrecklich’, wiederholte
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