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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende
Autoren: Lawrence Sanders
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brach. Die Polizei wurde gerufen, und der Hundebesitzer ließ sich nicht davon abbringen, Daniel Blank wegen Körperverletzung anzuzeigen.
    In dieser Angelegenheit wurden Blank und Lipsky auf das 251. Polizeirevier vorgeladen. Daniel erklärte, jener Mann habe seinen Hund mißhandelt, und als er, Daniel, ihm das verwies, habe der Mann ihn mit einer zusammengefalteten Zeitung geschlagen. Den Stoß habe er dem Mann erst nach diesem ersten Schlag versetzt. Charles Lipsky bestätigte diese Aussage.
    Die Klage wurde später zurückgezogen und die Sache fallengelassen. Der Mann zog bald darauf aus. Blank gab Lipsky fünf Dollar für seine Mühe und dachte nicht weiter daran.
    Doch etwa sechs Monate später kam es zu einem Zwischenfall ernsthafterer Natur.
    An einem Samstagabend setzte Daniel Blank seine „Via Veneto"-Perücke auf und machte im mitternächtlichen Manhattan einen Spaziergang. Er trug einen schwarzen schwedischen Wollblazer und ein französisches Hemd aus einem spitzenartigen Polyestergewebe, das sich hauteng an den Körper schmiegte, ein sogenanntes Chemise de Gigolo, fast bis zur Taille hinunter offen. Ein reichverziertes Malteserkreuz hing an silberner Kette um seinen Hals.
    Einer plötzlichen Eingebung und wirklich nichts anderem nachgebend, kehrte er in einer kleinen Kneipe in der 3rd Avenue ein, die er zwar schon wahrgenommen, doch nie zuvor betreten hatte. Sie hieß Zum Papagei. An der Bar saßen zwei Pärchen und zwei einzelne Männer. An den winzigen Tischen saß niemand, und der einsame Kellner las ein erbauliches Traktat.
    Blank bestellte einen Kognak und brannte eine Lattichzigarette an. Als er aufsah, fing er im Spiegel hinter der Bar unversehens den Blick von einem der beiden Männer auf. Sofort wandte Blank den Blick ab. Der Mann saß drei Barhocker weiter, mochte um die fünfundvierzig sein, war untersetzt, ein wenig aufgeschwemmt, hatte eine fleischige Nase und das gerötete Gesicht des Bourbon-Trinkers.
    Der Bartender hatte das Radio auf einen Sender eingestellt, der gerade Smetanas „Moldau" spielte. Er selbst sah die Rennlisten durch und kreuzte sich die Pferde seiner Wahl an. Die Pärchen hatten die Köpfe zusammengesteckt und redeten leise miteinander.
    „Sie haben schönes Haar."

    Daniel Blank sah von seinem Glas auf. „Wie bitte?"
    Der Mann mit dem Schweinchengesicht hatte sich auf den Barhocker neben ihm gesetzt.
    „Ihr Haar. Es ist wunderschön. Ist es eine Perücke?"
    Blanks erster Impuls ging dahin, seinen Kognak hinunterzukippen, zu zahlen und fortzugehen. Aber warum sollte er? Die dämmerige Einsamkeit in der Bar tat ihm gut. Hier waren Menschen beisammen, ohne indes wirklich zusammen zu sein — darin lag das Geheimnis.
    Er bestellte noch einen Kognak und kehrte dem Mann, der sich näher herüberlehnte, die Schulter zu. Der Bartender schenkte ihm nach und wandte sich wieder seiner Wettzeitung zu.
    „Na?" fragte der Mann.
    Blank wandte sich um und sah ihn an. „Was, na?"
    „Wie steht's?"
    „Womit?"
    Bis jetzt hatten sie im Unterhaltungston gesprochen, nicht laut, aber durchaus verständlich, falls jemand daran interessiert war zuzuhören. Das war niemand.
    Doch plötzlich neigte der Mann sich weiter vor und schob sein aufgedunsenes Gesicht nahe heran, wässerige Augen, zitternde Lippen: hoffnungsvoll und doch vom Schicksal gezeichnet.
    „Ich liebe dich", flüsterte er begierig.
    Blank schlug ihn auf den Mund und warf ihn vom Barhocker auf den Boden. Als der Mann aufstand, schlug Blank noch einmal zu und brach ihm die Kinnlade. Abermals ging jener zu Boden. Blank trat ihn blindwütig in die Leiste, bis der Bartender ihn von seinem Opfer wegzerrte.
    Wieder wurde die Polizei geholt. Diesmal hielt Blank es für das beste, seinen Rechtsanwalt, Russell Tamblyn, anzurufen. Der kam auf die Polizeiwache des 251. Reviers, und kurz vor Morgengrauen war die Angelegenheit erledigt.
    Der Verletzte - ein wegen mehrfacher Sittlichkeitsvergehen vorbestrafter Mersch - weigerte sich, Anzeige zu erstatten. Er sagte, er sei betrunken gewesen, könne sich an nichts erinnern, und übernahm die Verantwortung für den „unseligen Zwischenfall".
    Der Detektiv, der Daniel Blank verhörte, war derselbe, der seine Aussage in dem Zwischenfall mit dem Hundebesitzer aufgenommen hatte.
    „Schon wieder Sie?" fragte er neugierig.
    Der Anwalt brachte Daniel Blank die unterschriebene Verzichtserklärung auf Strafverfolgung und sagte: „Es ist alles aus dem Weg geräumt. Er nimmt Abstand von einer
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