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Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Titel: Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
Autoren: Ulrike Schweikert
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dass sie an diesem Punkt der Vertragsverhandlungen nicht nur am Rande beteiligt gewesen war. Nun dachte die Druidin darüber nach, auch die Werwölfe zu zähmen und ihren Sohn zu ihnen zu senden, um dem Treiben ein Ende zu setzen. Dieser Gedanke behagte Seymour nicht besonders. Wie sollte er das machen? Sie würden sicher nicht auf seine Worte hören. Sollte er jeden Einzelnen von ihnen zum Zweikampf auf Leben und Tod fordern? Nein, so stellte sich das Tara sicher nicht vor. Wie aber konnte er sich sonst Gehör bei diesen blutrünstigen Jägern verschaffen? Zum ersten Mal begann Seymour zu ahnen, was die Druidin geleistet hatte, sechs Vampirclans, die sich bis an den Rand ihrer Vernichtung über Jahrhunderte bekämpft hatten, an einen Tisch zu bekommen und auch noch ein stabiles Bündnis zu stiften. Denn das schien es wirklich zu sein. Die Erben reisten Jahr für Jahr von einem Clan zum anderen und lernten die speziellen Fähigkeiten, die der jeweilige Clan hervorgebracht hatte, seit sie sich voneinander abgespalten hatten.
    Seymours Gedanken wanderten über die Küste hinaus nach Osten, wo England irgendwo in den Nebeln verborgen lag. Morgen würden die Erben der Clans aus allen Ecken Europas her nach London reisen, um das Jahr bei den Vyrad zu verbringen. Aber Ivy und Seymour würden nicht mit dabei sein.
    Mit hängendem Kopf kletterte der Wolf über eine niedrige Steinmauer und überquerte dann eine Wiese. Die Schafe, die panisch blökend das Weite suchten, bemerkte er nicht einmal. Er passierte die ersten Gebäude der Vorburg und folgte dem Pfad, der ihn zur Brücke führte.
    » Ah, Seymour. Dass du dich auch mal wieder blicken lässt«, begrüßte ihn eine männliche Stimme, die er noch mit dem hellen Klang eines Knaben im Ohr hatte. Seymour hob den Kopf und sah den jungen Vampir an. Mervyn war jetzt neunzehn und er sah noch immer ein wenig unscheinbar aus. Und typisch irisch, mit seinem rötlichen Haar und der feinen, weißen Haut. Seymour überlegte, ob er ihn ansprechen sollte. Normalerweise teilte er seine Gedanken nur mit Tara und Ivy, doch er musste die Frage gar nicht stellen.
    » Falls du Ivy suchst, sie ist nicht in der Burg. Angekommen ist sie vor drei Tagen, aber vorhin habe ich sie weggehen sehen.« Er machte eine vage Handbewegung, dem Verlauf der Klippen nach Osten folgend.
    Seymour richtete seine gelben Augen so durchdringend auf Mervyn, dass der junge Vampir blinzelte.
    » Ivy ist nicht leicht zu durchschauen, wie du sicher weißt, aber ich hatte den Eindruck, es geht ihr nicht gut.«
    Vielleicht hatte sich Seymour seine Sorgen zu deutlich anmerken lassen. Oder hatte Mervyn etwa bei den Dracas in so kurzer Zeit gelernt, selbst in den Gedanken eines Werwolfs zu lesen? Das war fast ein wenig unheimlich!
    » Sie kam in meine Kammer, als ich gerade meine Reisekiste schnürte. Sie sagte mir Auf Wiedersehen und wünschte mir eine lehrreiche Zeit in London. Dann drehte sie sich um und lief weg, als seien Dämonen hinter ihr her.« Mervyn hob die Schultern, er schien sich entschuldigen zu wollen, dass er Ivy nicht aufgehalten hatte. Doch beide wussten, dass ihm das nicht möglich gewesen wäre.
    Seymour brummte und wandte sich ab. Später würde noch Zeit genug sein, um Catriona und Donnchadh seine Aufwartung zu machen. Nun wollte er zuerst nach Ivy sehen. Ihr ein wenig Trost spenden und ihre Einsamkeit vertreiben. Wie früher, als sie wochenlang zusammen durch die Berge gewandert waren. Wenn dies noch in seiner Macht stand.
    Seymour verließ die Vorburg und bog auf einen schmalen Klippenpfad ein. Er brauchte nicht lange zu suchen, bis er auf Ivys frische Fährte stieß. Rasch nahm er die Witterung auf und rannte los.
    Er fand sie auf dem Clochán an Aifir oder Giant’s Causeway, wie die Engländer den Damm des Riesen nannten, dort wo er in einer Felszunge in den Wogen des Meeres versinkt. Sie saß auf einer der sechseckigen schwarzen Steinsäulen, das Gesicht in beide Hände gestützt, und starrte auf das Wasser hinaus, das in dieser Nacht glatt wie ein Seidenlaken im Mondlicht schimmerte. Nur zu ihren nackten Füßen, wo die Basaltsäulen im Meer versanken, kräuselte sich ein wenig weißer Schaum.
    Er wusste, dass sie ihn längst bemerkt haben musste, doch sie sagte nichts. Seymour trat näher und setzte sich neben sie auf die Hinterpfoten. Gemeinsam starrten sie wortlos auf das Meer hinaus. Es war nicht ungewöhnlich, dass sie nicht sprach. Doch er empfing auch keinen ihrer Gedanken, an denen sie
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