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Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Titel: Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
Autoren: Ulrike Schweikert
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nicht genau worauf, aber sie war sicher, dass irgendetwas geschehen würde.
    Da war es wieder. Eine Welle von Hass überlief sie, dass es sie am ganzen Körper schüttelte. Dann eine Gier, die größer war, als sie selbst je empfunden hatte. Sie spürte die zunehmende Erregung und dann den kurzen Augenblick des Triumphes, als das Wild in der Falle saß. Fast war es ihr, als könne sie das fremde Blut, von dem sie nicht einmal wusste, wem es gehörte, auf der Zunge schmecken.
    Ivy schüttelte sich. Sie zog alle Kraft in sich zusammen und schloss die Pforten ihres Geistes. Die Gefühle, die nicht die ihren waren, verebbten.
    Gut, wenn sie achtgab, konnte sie sich schützen. Bedeutete das, sie würde nun immer auf der Hut sein müssen?
    Ivy unterdrückte einen Seufzer. Wie sollte sie ihren Geist auf Wanderschaft schicken, wenn sie gezwungen war, eine undurchdringliche Festung um ihn zu errichten?
    Wider Willen dachte sie an Poienari und an Dracula. Tagelang hatte er ihren Geist und ihren Willen unterworfen und sie sich mit der Kraft seiner Gedanken untertan gemacht. Ivy hatte dagegen angekämpft und das Schlimmste verhindert– dachte sie zumindest–, dennoch war es ihr nicht gelungen, sich ohne Hilfe aus dieser Umklammerung zu befreien. Ausgerechnet mit Kreuzen, Weihwasser und einer Hostie war es Alisa, Luciano und Franz Leopold gelungen, sie aus Draculas Geist zu lösen. Und doch war seit dem irgendetwas anders als zuvor.
    Zuerst hatte Ivy es nicht bemerkt. Sie hatten genug damit zu tun gehabt, aus Transsilvanien zu entkommen. Dann ging das Akademiejahr weiter. Es gab viel zu lernen– zumindest für die Erben– und so viel zu erleben. Theater und Bälle, Konzerte und Tanzvergnügen im nächtlichen Park bei allerlei Feuerzauber. So war es ihr eine Weile gelungen, aus ihrem Bewusstsein zu verdrängen, was sie eigentlich längst wusste. Oder besser gesagt, ahnte. Etwas war da. Etwas war anders, doch was genau war es? Und was wollte es ihr sagen?
    Zurück in der Stille und Einsamkeit der Insel überfiel es sie immer öfter, und es blieb ihr nichts mehr anderes übrig, als sich ihm zu stellen, um herauszufinden, was es zu bedeuten hatte. Für sie selbst und für das Schicksal aller.
    Weit war sie bisher nicht gekommen. Noch immer war es ihr ein großes Rätsel. Nun hatte sich Ivy auf den einsamen Gipfel des Berges zurückgezogen, um endlich mehr zu erfahren.
    Sie wartete und öffnete vorsichtig ihren Geist. Da! Ein Bild blitzte in ihr auf, das sich wie eine Erinnerung anfühlte, doch nicht ihre eigene war. Dann eine Welle unterschiedlicher Gefühle. Noch ein Bild, das nicht zu dem ersten gehörte. Sie sah unvermittelt ihr eigenes Antlitz. Sie lag mit geschlossenen Augen auf einem Bett. Ein Brautkranz auf ihrem silbernen Haar. Das Verlangen, das sie überflutete, bereitete ihr Übelkeit, und Ivy wehrte sich dagegen. Sie wollte nicht mit seinen Gedanken widerliche Pläne schmieden, deren Mittelpunkt sie selbst und ihr Blut sein sollten.
    War das nur eine Erinnerung oder steigerte er sich erneut in sein Verlangen? Was war es, was sie im Augenblick spürte? Ein Nachhall der Vergangenheit, die Gegenwart oder gar eine Ahnung der Zukunft?
    Jedenfalls waren es nicht ihre Gefühle, die sich plötzlich einstellten und dann wieder verflogen, und sie waren schauderhaft! Er steigerte sich wieder in diesen Hass hinein, der sie immer öfter begleitete. Nein, Ivy hatte für heute Nacht genug. Sie versuchte ihre Gefühle von den fremden Empfindungen zu lösen. Sie wollte keinen Zorn mehr fühlen, keinen Hass und kein Sehnen nach Rache. Es war eine so wunderschöne Nacht in der Einsamkeit des Moores. Ivy wollte an etwas Schönes denken.
    Sie dachte an Leo. An die Nacht auf dem Friedhof. An ihren ersten Kuss. Ach, was für ein wundervolles Gefühl.
    Plötzlich erstarrte Ivy. Er war noch immer da. Hinter den Schleiern ihrer Erinnerung lauerte Dracula auf seiner Festung in den fernen Karpaten. Doch Hass und Gier waren verschwunden.
    » Ach, Erzsébet«, seufzte Dracula in die Nacht. » Warum nur habe ich dich so früh verloren? Ich habe lange nicht mehr an dich gedacht, doch heute ist eine seltsame Nacht und ich vermisse dich schmerzlich.«
    Und er dachte an ihren ersten Kuss und das wundervolle Gefühl, das ihn dabei durchströmt hatte.
    Ivy riss erstaunt die Augen auf. Bei den Geistern der Erde, war das möglich? Vielleicht war es ein Zufall, aber wenn nicht? Sie wagte nicht, weiter darüber nachzudenken, was das bedeuten könnte.
    *
    »
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