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Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Titel: Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)
Autoren: Marita Sydow Hamann
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gelaunter Oden war für ganz Asgârd ein Segen.
    Möglicherweise würde seine Großzügigkeit sogar so weit gehen, dass er den Bärsärkern von Valhall ein Fass überließ. Er tat dies gelegentlich, um die Moral der Krieger von Asgârd aufrecht zu erhalten. Gewöhnlichen Met erhielten sie als Leibwache Odens natürlich so oft und so viel ihr Herz begehrte. Odrörer war allerdings eine Klasse für sich. Od sah dem entgegen und dachte bei sich, dass er und seine Krieger sich die Belohnung wirklich verdient hätten. Immerhin waren sie es gewesen, die den entscheidenden Tipp zur Ergreifung des von Oden gesuchten Verdächtigen erhalten hatten.
    Oden hatte lange nach ihm gesucht. Eigentlich hatte keiner so genau gewusst, wonach Oden Ausschau hielt. Dies führte zu vielen Gefangennahmen, Verhören und Folterungen. Bis die Bärsärker letztendlich die Nachricht erhielten, dass ein Junge und ein Mädchen beim Jagen auf Gymers Berg beobachtet worden waren. Ein Mädchen auf der Jagd! So etwas war in Odens Reich strengstens verboten und somit sehr verdächtig gewesen.
    Od überkam wieder dieses Unbehagen, das ihn seit längerem quälte.
    Das Mädchen auf der Jagd, die rothaarige kleine Hexe …
    Er hatte sie unbedingt haben wollen. Während Oden gefunden hatte, wonach er gesucht hatte – einen weißen Stein mit blutroten Linien – und den schwarzhaarigen Jungen dann eigenhändig vergiftet hatte, hatte Od sich auf sein neues Spielzeug gefreut …
    Hugins bärtiges Gesicht nickte anerkennend.
    »Ein Odrörer von überragender Qualität. Das ist nun wirklich eine Nachricht nach Odens Geschmack!«
    Das Unbehagen, das Od für den Bruchteil einer Sekunde gelähmt hatte, verließ ihn genauso schnell, wie es gekommen war. Er war wieder er selbst – selbstsicher und überlegen. Er sah mit fast geifernder Vorfreude, wie Hugin einen weiteren Kelch voll Odrörer zapfte und ihm das Getränk reichte.
    »Darauf sollten wir einen trinken! Solche Nachrichten hören wir hier oben immer gerne!«
    Hugin erhob seinen Kelch zum Prost und nahm einen weiteren kräftigen Schluck.
    Od tat es ihm gleich. Der Odrörer floss durch seine Kehle, warm, herzhaft und wohlschmeckend. Seine Sinne wurden sanft berührt und seine Gesichtszüge glätteten sich. Noch einige Schlucke mehr und das Glücksgefühl würde vollkommen sein. Vergessen die kleine, rot-haarige Hexe, vergessen seine Probleme – was für ein Tag …
    Noch bevor er den Kelch von seinen Lippen nahm, tauchte aus dem Nichts eine dicke Nebelwand auf. Od hatte das Schauspiel schon einige Mal erlebt, aber verschluckte sich trotzdem voller Schreck. Aus dem Nebel schälten sich die Konturen einer dunklen Gestalt heraus, die mit einem langen Umhang bekleidet war. Als nächstes machte der Bärsärker eine von Gicht verknöcherte Hand aus, die aus dem Mantel ragte und die mit langen Fingern einen fast zwei Meter langen Speer umklammerte.
    Oden ist wieder da , schoss es Od durch den Kopf.
    Der Bärsärker trat – den Blick gesenkt und mit unterwürfiger Geste – einige Schritte zurück. Hugin blickte seinem Herrn erwartungsvoll entgegen und schien keineswegs überrascht über Odens plötzliches Auftauchen.
    Der zweite Rabe, der während Ods Aufenthalt kaum Notiz von den Geschehnissen im Raum genommen hatte, streckte nun sein Gefieder und ließ sich von seinem Podest herabgleiten. Im Anflug verwandelte auch er sich in einen Mann, der seinem Bruder Hugin zum Verwechseln ähnlich sah. Zumindest fast, denn die Augenfarbe machte den Unterschied deutlich. Im Gegensatz zu den kalten, blauen Augen seines Bruders waren Munins Augen schmutzig grün.
    Die beiden standen Oden gegenüber und warteten auf seine Befehle.
    »Ich sehe, hier ist eine kleine Feier im Gange. Das lässt auf gute Nachrichten schließen … Hoffe ich!«, sagte er. Ein kaltes Lachen kam aus den Tiefen des dunkelblauen Umhanges und ließ die knochige Hakennase erbeben, die unter der breiten Hutkrempe hervorstach.
    »So ist es, mein Herr«, antworteten Hugin und Munin im Chor.
    Unwillkürlich trat Od noch einen weiteren Schritt zurück. Er diente Oden nun schon eine halbe Ewigkeit, und obwohl er selten Anlass zur Klage gab, flößte ihm die Nähe seines Gebieters seit der Anwesenheit dieser kleinen Rothaarigen Unbehagen ein.
    »Od, mein treuer Diener!«, rief Odens bedrohliche Stimme. Od zuckte unmerklich unter seinem Umhang zusammen, fing sich aber rasch wieder und trat einen Schritt vor. Er hob seinen bärtigen Kopf.
    »Ja, mein Herr?«
    Oden
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