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Die Entstehung des Doktor Faustus

Die Entstehung des Doktor Faustus

Titel: Die Entstehung des Doktor Faustus
Autoren: Thomas Mann
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Faust-Thema hinaus.
    »Auszüge aus dem Faust-Buch. Abends Lektüre darin. Zweites Bombardement Berlins in 48 Stunden … Exzerpte aus Wolfs {424} Briefen. Gedanken, Träume, Notizen. Abends Wolfs Briefe an Grohe. Die Urteilslosigkeit, der törichte Humor, die Begeisterung für seine schlechten Operntexte, die Dummheiten über Dostojewsky. Euphorische Vorklänge des Wahnsinns, der dann, wie bei Nietzsche, in Größenideen sich äußert, aber nichts Großes hat. Traurige Illusionen über die Opern. Kein gescheites Wort … Die Briefe wieder. Welche Form könnte das annehmen? Der Geist des Vortrags ist fraglich. Selbst Zeit und Ort … Aufzeichnungen zum Faust-Thema. Nach Tische in Paul Bekkers
Musikgeschichte,
im Jahr 1927 von ihm geschenkt ›für die Eisenbahn‹. Weiteres, angelegentlich, abends darin … Heftige und systematische Bombardements des Hitler-Kontinents. Fortschritte der Russen in der Krim. Anzeichen für das nahe Bevorstehen der europäischen Invasion … Bei Bruno und Liesl Frank in Beverly Hills zum Abendessen. Er las seine vortrefflich gemachte Nazi-Geschichte zum Vierten Gebot. Vertrauliches über den Faust-Plan …«
    Wie, ich konnte mich alten Freunden schon darüber anvertrauen, bei gänzlicher Fraglichkeit von Form, Handlung, Vortragsart, ja Zeit und Ort? Mit welchen Worten mag es geschehen sein? Jedenfalls war es das erste Mal, daß ich, außer in Beratungen mit meiner Frau, die dem Neuen Vorschub leistete gegen das Alte, den Mund darüber auftat. Übrigens ging es mir schlecht. Ein Rachen- und Luftröhrenkatarrh machte mir trotz heiterem, warmem Wetter zu schaffen, und ich fand mich »sehr matten Geistes, unsicher und pessimistisch meiner produktiven Zukunft wegen. Und doch habe ich noch kürzlich Dinge gemacht wie
Thamar, Verkündigung
und die zweite Hälfte des Moses!… In Schriften über Nietzsche. Ergriffen von einem Brief Rohdes über ihn. Nachts
Kater Murr
von Hoffmann. In Bekkers Werk über das Kunstspiel bei Haydn, die Heiterkeit im Sinne des Jenseits von Scherz und Ernst, der Realitätsüberwindung«.
    {425} Ein Tag brachte trotz allem die Auflösung der Materialpakete zum
Hochstapler
, die Wiederlesung der Vorarbeiten – mit wunderlichem Ergebnis. Es war »Einsicht in die innere Verwandtschaft des Faust-Stoffes damit (beruhend auf dem
Einsamkeitsmotiv
, hier tragisch-mystisch, dort humoristisch-kriminell); doch scheint dieser, wenn gestaltungsfähig, der mir heute angemessenere, zeitnähere, dringendere …« Die Waage hatte ausgeschlagen. Dem
Joseph
-Theater sollte nicht »erst noch« der Schelmenroman folgen. Der Himmel mochte geben, daß auch an dem radikal Ernsten, Drohenden, auf irgendeine Weise von Opferstimmung Umwitterten, dessen Forderung und Verheißung sich als die stärkere erwies, ein wenig Kunstspiel und -scherz, Ironie, Travestie, höherer Spaß teilhaben durfte! Die Vermerke der nächsten Wochen geben von nichts anderem mehr Kunde als von dem Sich-eingraben in den neuen Arbeitsgrund, dem Erinnern und Herbeibringen von Material, Zubehör, um dem vorschwebenden Schatten einen Körper zu schaffen.
    »Über deutsches Städtewesen aus der Luther-Gegend. Dazu Medizinisches und Theologisches. Tasten, Versuchen und beginnendes Gefühl größerer Sicherheit in der Stoffsphäre. Mit K. die Bergstraße gegangen. Tagsüber in Luthers Briefen. Vorgenommen
Ulrich von Hutten
von D. Strauß. Studium von Musikbüchern vorgesetzt. Bekkers Werk mit größter Aufmerksamkeit beendet. Was noch fast völlig fehlt, ist die menschenfigürliche Ausstattung des Buches, die Füllung mit prägnanten Umgebungsfiguren. Beim
Zauberberg
war sie durch das Sanatoriumspersonal gegeben, beim
Joseph
durch die Bibel, deren Gestalten realisierend heranzubringen waren. Beim
Krull
hätte die Welt phantasmagorisch sein dürfen. Sie darf es bis zu einem gewissen Grade auch hier, doch ist mehrfache Vollrealität erfordert, und da fehlt es an Anschauungsstütze … Irgendwie {426} muß aus der Vergangenheit, aus Erinnerung, Bildern, Intuition geschöpft werden. Aber die Entourage ist erst zu erfinden und festzustellen …«
    Ein Brief an Professor Tillich vom Union Theological Seminary ging nach New York mit Erkundigungen über den Prozeß des Theologie-Studiums. Empfangen, merkwürdig genug, wurde gleichzeitig ein Brief Bermann Fischers, der eine schwedische Anregung übermittelte, ein
Buch über Deutschland
, seine Vergangenheit und Zukunft, zu schreiben. »Wenn man alles tun könnte. Aber die
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