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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Oliver Becker
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Streitpunkt, der schon mehrmals zwischen ihnen aufgeflammt war.
    »Ich sage nicht«, erklärte Bernina mit ruhiger Stimme, »dass ich nichts davon halte. Aber verstehe bitte auch meine Situation: Ist es so verwunderlich, dass ich mir wünsche, du wärst öfter bei mir – und seltener damit beschäftigt, den Teichdorfern das Kämpfen beizubringen? Immer wieder galoppierst du davon, um angeblich verdächtigen Gestalten hinterherzujagen.«
    »Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Entweder man zieht den Kopf ein oder man schlägt zurück. Entweder man schließt die Augen und betet oder man nimmt die Sache selbst in die Hand.« Nils klang entschlossen wie eh und je, und Bernina hatte nichts anderes erwartet.
    Erneut ertönte an diesem Vormittag das Getrappel von Hufen, diesmal von mehreren Pferden. Bernina und Nils erhoben sich gleichzeitig. »Das sind die anderen«, meinte Nils. »Sie holen mich ab.«
    »Bitte sei vorsichtig.«
    »Früher war ich das nie.« In seinem Lächeln blitzte etwas auf, was Bernina an bessere, an friedlichere Tage denken ließ. »Erst seit ich dich kenne, habe ich einen Grund, vorsichtig zu sein.«
    »Jedenfalls ab und zu«, betonte Bernina.
    Er lachte, wiederum froh über die kleine, scherzhaft gemeinte Bemerkung. »Stimmt. Ab und zu.«
    Nebeneinander traten sie vor das Haus. Die Männer der Teichdorfer Bürgerwehr waren nicht abgestiegen. Auf dem Rücken ihrer Tiere, die meisten breite, nicht an Reiter gewöhnte Arbeitsgäule, warteten sie in einigem Abstand auf Norby, der sich daran machte, sein zweites Pferd mit Sattel und Zaumzeug zu versehen. Bernina stand bei ihm, beobachtete seine versierten und unzählige Male vollführten Handgriffe.
    »Warum hast du dich«, fragte sie leise, »so misstrauisch umgesehen? Vorhin, bei deiner Ankunft?«
    Er zeigte ein freches Grinsen, aus dem Anerkennung sprach. »Das hat mir immer schon an dir gefallen: Dir entgeht einfach gar nichts.«
    »Was war der Grund für deine Aufmerksamkeit?«
    Nils antwortete mit einer Gegenfrage: »War irgendjemand in der Nähe des Hofes? Jemand Fremdes?«
    »Wie kommst du auf diesen Gedanken?«
    »Nicht nur die drei bewaffneten Männer haben in Teichdorf die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, das weißt du doch.«
    »Ach, du meinst diesen lustigen Kerl?« Ein wenig spöttisch zog Bernina eine Augenbraue in die Höhe.
    »Lustig?« Ihr Mann runzelte die Stirn. »In diesen Tagen ist niemand lustig, der wie aus dem Nichts Gestalt annimmt und unermüdlich Fragen stellt.«
    »Ich sah diesen Kauz in Teichdorf. Sonntags nach der Kirche.«
    »Der Kauz, wie du ihn nennst, ist schon wieder verschwunden.«
    »Ach?«
    »Ja.« Nils stieg auf und blickte auf sie hinunter. »Es gibt Leute, denen er gestern auffiel, als er den Trampelpfad entlangging, der durch den Wald führt. Seither fehlt jede Spur von ihm. Du weißt, wo dieser Pfad endet.«
    Erneut Berninas Spiel mit der Augenbraue. »Ja. Hier, am Petersthal-Hof.«
    »Manchmal denke ich, dass du einfach zu vertrauensvoll bist. Zu gutgläubig. Wenn er kein Spürhund ist, dann zumindest ein Dieb, vor dem kein Silberlöffel sicher ist. Dieser Kerl hat angeblich eine ziemlich einschmeichelnde Zunge. Er duftet nach Rosenwasser, kleidet sich vornehm und wedelt mit seinen zarten Händen herum wie eine feine Dame. Und er zieht den Leuten, vor allem den Frauen, Antworten aus der Nase, die sie ihm eigentlich gar nicht geben wollen.«
    »In die Nähe meiner Nase lasse ich allein dich, Norby.«
    »Also?« Diesmal ging er nicht auf ihren Scherz ein. »Du hast ihn nicht gesehen?« Sein Gesicht war plötzlich von tiefer Ernsthaftigkeit durchdrungen. »Und auch sonst niemanden?«
    »Nein.«
    »Das ist gut.« Er schaute kurz zu den Männern, die auf ihn warteten, dann wieder zu seiner Frau. »Wir reiten die Gegend ab und halten die Augen offen. Wann wird Baldus von den Feldern zurück sein?«
    »Vor dem Mittag, denke ich.«
    »Übrigens, ich kann deine Situation durchaus verstehen.«
    »So?«
    »Aber natürlich. Mir gefällt es ebenso wenig wie dir, dass nur noch Baldus bei dir ist, wenn ich unterwegs bin. Vielleicht hätten wir die beiden anderen Knechte doch noch länger behalten sollen.«
    »Im Moment gibt es für so viele Hände nicht genug zu tun. Auch weil der Sichelschnitt zum Glück hinter uns liegt.«
    »Und in einem Ernstfall würden sie dir sowieso nichts nützen.« Er beugte sich herab, um mit seiner breiten Hand betont sanft über Berninas Wange zu streichen. »Ich hingegen nütze dir sehr wohl.
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