Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten
Autoren: S Booth
Vom Netzwerk:
Regentropfen hatten kaum eine
Chance, auf seiner Wachsjacke zu trocknen, ehe die nächste Wolkenbank ihn schon wieder erreichte.
    Aus irgendeinem Grund trug auch Police Constable Tracy Udall ihre Schutzweste. Zweifellos eine vernünftige Vorsichtsmaßnahme, aber es sah trotzdem ein bisschen komisch aus. Das Gefährlichste weit und breit waren ein paar Brennnesselbüsche. Und bei dem strammen Sitz der Weste konnte Cooper sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Kollegin eine Brustverkleinerung zumindest in Betracht ziehen sollte.
    Die gelbe, wasserdichte Jacke von Constable Udall befand sich momentan im Wagen. Aber die dunklen Wolkenbänke, die aus dem Osten auf sie zurasten, ließen vermuten, dass sie es bald bereuen könnte, sich ohne sie so weit vom Wagen entfernt zu haben.
    »Wenn wir über ihre Einkommensquelle richtig informiert sind, macht es ihnen sicher nicht viel aus, einen Teil davon an Powergen abzugeben«, stellte sie trocken fest.
    Cooper wischte den Regen von seinem Fernglas, um sich das Gebäude näher anzusehen. Früher war es mal ein normales Bauernhaus gewesen, aber ein Teil der Seitenmauer war abgetragen und durch eine deckenhohe Glasscheibe ersetzt worden, durch die mehr Licht fiel, als mehrere Generationen von Bergbauernfamilien aus Derbyshire je in ihrem Leben zu Gesicht bekommen hatten. Im rückwärtigen Teil des Gebäudes waren ebenfalls Mauern durch Glas ersetzt, und in das steingedeckte Dach waren Mansardenfenster eingelassen worden.
    Der Fußboden des Zimmers, das Cooper durch das Rechteck aus Glas sehen konnte, bestand aus hellen, gemusterten Holzquadraten und war früher sicher mit Steinplatten belegt gewesen. Durch ein Fenster im hinteren Teil fiel ein Lichtstrahl ins Zimmer. Das konnte nur bedeuten, dass eine Zwischenwand entfernt worden war, um einen einzigen, großen Raum zu gewinnen, der den ganzen hinteren Gebäudeteil einnahm.
Ein Immobilienmakler hätte das sicher als großzügige, ineinander übergehende Zimmerfluchten verkauft.
    Auf ihrem Weg ins Tal hinunter hatte die Polizeitruppe auf den Einsatz von gleißendem Blaulicht und heulenden Sirenen verzichtet, um in der frühen Morgendämmerung nicht vorzeitig aufzufallen. Aber jetzt war die Zeit für Diskretion vorbei. Einer der Männer des Sondereinsatzkommandos hatte auf dem Weg zur Razzia gefeixt, sie würden zusehen müssen, schnell ins Haus zu kommen, um nicht nass zu werden. Regen schadete den Kevlarfasern ihrer Schutzwesten, und direkter Sonnenbestrahlung sollte man das Material besser auch nicht aussetzen. Das war der Grund, weshalb Polizisten nie bei Sonnenschein in Schutzkleidung ausrückten, hieß es. Aber besser so, als wenn sie die Westen auf dem Revier im Spind hätten hängen lassen. So waren sie wenigstens etwas geschützt.
    Ein paar hundert Meter hinter dem Zielobjekt war eine Ansammlung von Dächern zu erkennen – mehrere alte Wirtschaftsgebäude, von denen eines in eine Doppelgarage umgewandelt worden war. Auf der mit Klinkern gepflasterten Auffahrt stand ein Geländewagen – ein Toyota oder ein Mitsubishi, so genau konnte Cooper das aus der Ferne nicht erkennen. In dem Moment kam ein großer, struppiger Hund in Sicht, schnüffelte am Vorderrad des Fahrzeugs, warf einen schuldbewussten Blick über die Schulter und trottete zur Rückseite des Hauses. Neben der Auffahrt befand sich eine Koppel, auf der ein Shetlandpony, ein Jakobsschaf und zwei Moschusenten weideten.
    »Was ist mit den Nachbarn?«, fragte Cooper.
    »Eigentlich gehört das Haus ja einem Architekten«, erklärte Udall. »Offensichtlich ist er bei der Genossenschaft angestellt und verdient sich seinen Lebensunterhalt mit dem Bau von Supermärkten und Krematorien.«
    Cooper mochte Udalls direkte Art. Auf dem Weg von der Dienststelle in Glossop hatte sie ihm im Wagen erzählt, dass sie
seit zehn Jahren bei der Polizei war. Sie war allein erziehende Mutter und hatte den Dienst begonnen, sobald ihr jüngstes Kind alt genug für den Kindergarten war. Hatte sie mal Pech mit dem Schichtdienst – was normalerweise immer der Fall war, wie sie sagte -, holte ihre Mutter die Kinder von der Schule ab. Ihr Sohn war jetzt dreizehn und bereitete ihr langsam die altersüblichen Sorgen.
    »Supermärkte und Krematorien?«
    »Oder, wie Sergeant Boyce es formuliert, der macht alles, von der Grillkohle bis zur Urne. Boyce ist manchmal zum Brüllen.«
    »Jede Truppe braucht ihren Klassenclown.«
    »Aber der Architekt arbeitet im Ausland. Irgendwo in den Golfstaaten,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher