Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten
Autoren: S Booth
Vom Netzwerk:
oben ist da noch die Straße – die A628. Hast du schon mal gesehen, was die Lastwagenfahrer für Zeug aus ihren Fahrerkabinen schmeißen? Du kannst da oben nicht am Straßenrand entlanggehen, ohne mit Schweinepasteten und sonstigen Fressalien beworfen zu werden. Richtig ekelhaft. Vor allem bei Sachen mit Tomatensauce. Ich hasse Tomatensauce. Aber das heißt nichts anderes, als dass hier überall entlang der Straße Essensabfälle herumliegen. Ganz zu schweigen von den ›Cafés‹ in den Parkbuchten. Die Abfalleimer dort quellen manchmal über vor Müll.«
    »Da hast du auch wieder Recht.«

    »Sicher, es wohnen keine Leute in der Nähe. Dafür kommen sie nach Longdendale und füttern hier die Ratten.«
    »Zum Glück kommen die Biester nicht an die Kabel im anderen Tunnel ran. Die nagen glatt alles durch, diese Ratten, wenn sie nicht gestört werden.«
    »Wir brauchen trotzdem noch mehr Gift«, knurrte Norton.
    Einige Meter weiter weg, im alten Osttunnel, verliefen in einer Betonrinne zwei Vierhunderttausend-Volt-Kabel. Bei Dunford Bridge, ungefähr drei Meilen weiter weg, verschwanden die Kabel, die den Abschnitt des National Grid, des nationalen Energieversorgungssystems, zwischen Yorkshire und Manchester mit Strom belieferten, im Tunnel. Bei Woodhead traten sie wieder an die Oberfläche, liefen durch eine Relaisstation und endeten schließlich in einer Reihe gigantischer Masten, die sich wie ein Wald das ganze Tal bis hinunter nach Manchester zogen. Die stillgelegten Eisenbahntunnel von Woodhead hatten die Moore davor bewahrt, dass auch noch diese drei Meilen mit Strommasten überzogen wurden.
    Sandy Norton hatte oft die Qualität des Mauerwerks der Tunnelbögen bewundert. Es hatte immerhin mehr als hundertfünfzig Jahre in gutem Zustand überstanden. Die Bauarbeiter, die sich damals mit Spitzhacken und Sprengstoff ihren Weg durch den Berg gebahnt hatten, hätten wohl über den heutigen Zweck des Tunnels sehr gestaunt.
    Die Arbeiter hätten sich garantiert auch nicht den neueren, zweispurigen Tunnel vorstellen können, der in den Fünfzigerjahren Richtung Süden erbaut worden war und Teil der ersten elektrifizierten Bahnstrecke des Landes war. Auch dieser Tunnel war jetzt stillgelegt. Abgesehen von der kleinen, batteriebetriebenen Lokomotive, die auf der Wartungsstrecke des National Grid fuhr, waren vor über zwanzig Jahren die letzten Züge im Woodhead-Tunnel verkehrt.
    Norton und Cade packten ihre Sachen zusammen und
waren gerade am Aufbrechen, als auf der Straße über ihnen ein Wagen langsamer wurde und schließlich zum Stehen kam. Sie hörten, wie die Reifen auf dem nackten Betonboden knirschten, dort, wo früher einmal ein Haus oberhalb der Tunneleinfahrten gestanden hatte. Jetzt konnte man hier anhalten und den Ausblick über das Tal bewundern. Nach einer Weile wurde der Wagen wieder angelassen und fuhr weiter.
    »Das war ein alter VW-Käfer«, sagte Norton.
    »Woher weißt du das?«
    »Das erkenne ich am Motorengeräusch. Es ist unverkennbar. Der Motor ist luftgekühlt, weißt du.Vor Jahren, als ich noch ein junger Spund war, hatte ich auch mal einen Käfer.«
    »Sind wir jetzt eigentlich fertig mit den Ratten?«
    »Für heute, ja«, erwiderte Norton und schaltete seineTaschenlampe aus. »Eines sage ich dir. Ich würde nur ungern im Dunkeln durch diesen Tunnel gehen müssen.«
    Cade schüttelte sich. »Ich auch. Drei Meilen im Dunkeln? Nein danke. Das ist schon ohne Ratten schlimm genug.«
    Er drehte sich um und ging zu ihrem Lieferwagen zurück. Aber Norton folgte ihm nicht sofort. Er warf erst noch einen Blick hinauf zu den Quadern am Scheitelpunkt des Tunneleingangs. Es hieß, die Erbauer der alten Tunnel seien sehr abergläubisch gewesen. Sie waren überzeugt, dass der Tunnel, den sie in den Berg getrieben hatten, irgendetwas oder irgendjemanden in seiner Ruhe gestört habe. Und das sei der Grund für die vielen Unglücksfälle gewesen, die ihnen dabei zugesto ßen waren. Die Tragödien hatten dem Woodhead-Tunnel den Beinamen »Eisenbahnerfriedhof« eingetragen. Norton hatte auch gehört, dass die Bauarbeiter nach der Fertigstellung der Tunnel über jedem Eingangsportal Gesichter in den Stein geritzt hätten, um die bösen Geister zu bannen. Selbst wenn diese Fratzen noch da oben waren, waren sie sicher so verwittert, dass er sie nicht mehr erkennen konnte.
    Sandy Norton zuckte die Schultern. Er verstand nichts von
bösen Geistern. Auf jeden Fall hatten die Gesichter nicht viel dazu beigetragen, die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher