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Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten
Autoren: S Booth
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Jahren hätte Emma kommen sollen.«
    »Natürlich. Tut mir Leid.«
    »Ist schon in Ordnung. Für die meisten Leute ist das wahrscheinlich schon ziemlich lange her. Ich erwarte nicht, dass alle sich erinnern.«
    »Aber ich erinnere mich daran«, sagte Alton. »Und ihre Eltern natürlich auch.«
    »O ja, ihre Eltern erinnern sich«, meinte Neil.
    Wegen der Dunkelheit konnte Alton jenseits der Friedhofsmauer außer den Straßenlaternen von Withens nur wenig erkennen. Aber er war sicher, dass es nicht Carolines Stimme gewesen war, die er zuvor im Dorf gehört hatte. Vielleicht war es Fran Oxley gewesen, oder auch Lorraine oder eines der anderen Mitglieder der Familie Oxley.
    Aber ganz bestimmt war es nicht Caroline gewesen – sie würde nie so lachen oder in der Öffentlichkeit so laut schreien. In diesem Moment würde Caroline am alten Pfarrhaus vorbeigehen. Sie würde tunlichst vermeiden, einen Blick auf Haus und Garten zu werfen, bis sie in ihre Straße einbiegen konnte und vor ihrem Bungalow stand.
    Irgendwo in der Dunkelheit, jenseits der Straßenlaternen, lag die Waterloo Terrace, wo die Oxleys wohnten. Alton sah im Geist die acht Cottages aus Backstein vor sich, die sich dicht aneinander gedrängt wie eine Reihe Soldaten – quasi Schulter an Schulter – gegen die größeren Gebäude aus Stein behaupteten, die sie umringten.
    Derek Alton und Neil Granger blieben kurz im Vorraum der Kirche stehen und lauschten den Geräuschen, die aus dem Dorf zu ihnen drangen. Das Schreien wurde erst leiser und schwoll kurz darauf wieder an.

    »Klingt das für Sie nach einer Ratte?«, fragte Neil.
    »Ja, doch.«
    Neil nickte. »Na, dann ist es okay.«
    Er rieb sich über das Gesicht, während er sich auf dem Plattenweg langsam entfernte. Seine Kleidung raschelte dabei wie das Laub, in dem die Amsel gewühlt hatte. Alton wandte kurz den Kopf Richtung Dorf, und als er sich umdrehte, musste er feststellen, dass Neil bereits in der Dunkelheit zwischen den Eiben verschwunden war.
    Später würde Derek Alton eine Menge zu bereuen haben. Es würde ihm Leid tun, dass er Neil Granger nicht hatte weggehen sehen und nicht mit eigenen Augen den exakten Moment mitbekommen hatte, in dem der junge Mann außer Sicht gewesen war. Vielleicht hätte er Neil zurückgerufen und etwas zu ihm gesagt, das seine Meinung geändert hätte. Aber er hatte es nicht getan. Das Geräusch aus dem Dorf hatte Alton zu sehr abgelenkt, und er war zu sehr mit seinen eigenen Sorgen beschäftigt gewesen. Auch dafür würde er sich später schuldig fühlen.
    Aber vor allem würde Derek Alton bereuen, sich nicht verabschiedet zu haben.
     
     
    An diesem Abend waren noch zehn Kadaver zu bergen. Unter Tage waren wahrscheinlich noch mehr verendet oder hockten gefangen in den tiefen Spalten zwischen den steinernen Bögen und dem Berg. Aber Sandy Norton war nicht zufrieden.
    »Wir werden noch mehr Gift auslegen müssen«, sagte er. »Die Viecher vermehren sich wie die -«
    »Ratten?«
    »Ja.«
    Norton leuchtete mit der Taschenlampe in die Öffnung des mittleren Portals. Es führte in einen der westwärts ausgerichteten Tunnel der alten Eisenbahnlinie, der heute nicht mehr benutzt wurde und aus dem neunzehnten Jahrhundert stammte.
Die Gleise waren lange zerstört und abgetragen, der Tunnel aufgegeben. Dessen gewölbte Wände schimmerten vor Nässe, und zu Nortons Füßen floss ein schmales Rinnsal in einen steinernen Kanal. Knapp hinter dem Lichtkegel seiner Taschenlampe huschten dunkle Schatten über den schmutzigen Boden.
    »Wüsste gerne, was die hier zu fressen bekommen«, sagte sein Kollege, Jeff Cade, der sich gerade die Gummihandschuhe auszog und in eine Tasche seines Overalls steckte. »Die sollen doch angeblich auf die Nähe von Menschen angewiesen sein, oder? Alle zwei Meter soll doch irgendwo eine Ratte hocken. Aber hier sind nirgends Häuser in der Nähe.«
    Norton lachte. »Das ist für die doch kein Problem. Schau mal da hinauf, wo der alte Bahnhof und die Gleise waren. Siehst du den Parkplatz und das Picknickareal? Das ist so was wie ein Drive-In-McDonald’s für das Viehzeug hier. Die Leute hinterlassen alle möglichen Abfälle im Gras, wenn sie hier gepicknickt haben. Und dann die Sandwichkrümel und Schokoriegel und was sie sonst noch alles aus dem Autofenster werfen. Seit sie die alte Bahnlinie in einen Wanderweg umgewandelt haben, kommen doch Tausende von Leuten hier vorbei, vor allem am Wochenende.«
    »Der Longdendale Trail, ich weiß.«
    »Und weiter
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