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Die ehrenwerten Diebe

Die ehrenwerten Diebe

Titel: Die ehrenwerten Diebe
Autoren: Will Berthold
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in das Büro Siebeners, sondern in einen der abhörsicheren Räume, die es jetzt fast in allen Bonner Ministerien gab. Dem Laien mögen solcherlei Maßnahmen übertrieben, ja sogar ein wenig lächerlich vorkommen, aber amerikanische Firmen sind längst dazu übergegangen, zerlegbare Konferenzräume zu schaffen, die Millimeter um Millimeter durchröntgt werden.
    »Fein, daß ich Sie erreicht habe«, begrüßte mich der hohe Beamte. »Sie kennen Herrn von Kettener?«
    Als mir der Generaldirektor der ELUX-Werke die Hand reichte, wußte ich, daß es sich bei diesem Auftrag um eine elektronische Erfindung handeln mußte, mein ganz spezielles Fachgebiet.
    »Die Hamburger ELUX-Werke haben sich mit einem Hilferuf an das Bundes-Wirtschaftsministerium gewandt«, erläuterte Siebener. »Wenn wir diese mysteriöse Geschichte nicht in den Griff bekommen, droht der deutschen Export-Wirtschaft unübersehbarer Schaden.«
    Ich wußte, daß der Ministerialrat einer der fähigsten Bonner Beamten war, trotzdem überraschte mich sein rascher, präziser Vortrag:
    Unter der werksinternen Bezeichnung XYZ-Gerät war der erfolgreichen Hamburger Firma in Zusammenarbeit mit einem amerikanischen und einem englischen Partner eine bahnbrechende Erfindung geglückt: ein billiges, exaktes Radargerät, das sich in jedes Kraftfahrzeug einbauen ließ und das, gekoppelt mit Lenkung und Bremsen, künftig Zusammenstöße so gut wie unmöglich machen würde.
    Eine Revolution der Verkehrssicherheit.
    Ein Vorgriff auf die Welt von morgen. Wenn man weiß, daß sich jedes Jahr auf der Welt Millionen von Verkehrsunfällen ereignen und die alljährlichen Todesopfer des Straßenverkehrs eine Stadt wie Frankfurt bevölkern könnten, war es klar, wie revolutionär die ELUX-Entwicklung sein würde. Weltweit müßte man sich um das Patent reißen und es in Gold aufwiegen.
    »Diese Erfindung, die wir von Staats wegen fördern«, erläuterte Siebener, »nennen wir sie einmal Auto-Radar, ist längst aus dem Experimentierstadium heraus. So sind die ELUX-Werke gerade dabei, die Patentschrift zu erstellen.«
    Damit war, und das wußte ich aus eigener Erfahrung, der kritische Punkt einer jeden Erfindung erreicht. Die Patentämter in allen Ländern der Welt arbeiteten zwangsläufig langsamer als Gottes Mühlen und keineswegs gründlicher.
    Wenn dem rechtmäßigen Erfinder Einzelheiten des beantragten Patents gestohlen wurden, konnte ein Konkurrent ihm mit dem Lizenz-Antrag zuvorkommen oder die Patentierung auf Jahre hinaus verzögern.
    »Wir wissen mit Sicherheit«, übernahm jetzt der Vorstandsvorsitzende der ELUX-Werke das Wort, »daß wichtige Einzelheiten des XYZ-Gerätes bereits in unbefugte Hände geraten sind.«
    »Woher wissen Sie das?« unterbrach ich ihn.
    »Wir haben schon seit Monaten energische Sicherungen eingeschaltet. Ich darf Ihnen sagen, daß das Bundeskriminalamt, daß Spezialisten aus Wiesbaden seit langem unsere Hausgäste sind. Daß unser Werkschutz ausgebaut wurde. Daß Sie in Deutschland der fünfte Mensch sind, der überhaupt von dieser Erfindung erfährt.«
    »Die anderen vier?« frage ich.
    »Ministerialrat Siebener. Unser Chefkonstrukteur. Ein technisches Vorstandsmitglied und ich.«
    »Und die übrigen Herren Ihres Vorstandes?«
    »… kennen nicht die Einzelheiten, wie sie bereits verraten wurden.«
    Selbstlos und korrekt hatte sich der Generaldirektor sozusagen an die Spitze der Verdächtigen gesetzt, hatte freiwillig sein und seiner Kollegen Privatleben bis in die peinlichsten Einzelheiten durchleuchten lassen – ohne Befund.
    »Und aus amerikanischen oder englischen Quellen können die Werkspione nicht schöpfen?« fragte ich.
    »Ausgeschlossen«, erwiderte er. »Wir wissen, daß die verratenen Informationen aus Deutschland stammen – aus dem allerengsten Kreis von vormals vier und seit einer halben Stunde fünf Mitwissern.«
    »Und warum haben Sie sich einen fünften Geheimnisträger geschaffen?«
    »Weil Sie vielleicht der einzige sind, der uns noch helfen kann«, erwiderte der Generaldirektor von Kettener. Mit einem fragilen Lächeln setzte er hinzu: »Verzeihen Sie – aber Sie sind doch ein Eierkopf mit Boxhandschuhen.«
    »Danke für die Blumen«, ging ich auf seinen Ton ein, »und Vertrauen ehrt.«
    »Wir haben uns da etwas einfallen lassen«, übernahm Siebener wieder das Gespräch. »Der Personalchef der ELUX-Werke erreicht demnächst die Pensionsgrenze. Sie werden als sein angeblicher Nachfolger eingearbeitet. Sie erhalten
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