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Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)
Autoren: Andrea Gunschera
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„Also Metamorphosen. Die Dinge verändern sich, und dann“, er starrte ihr in die Augen, „dann verwandeln sie sich in etwas anderes.“ Schwer atmend hielt er inne. „Verstehen Sie?“
    Sie hielt ihr Lächeln aufrecht. Sie wartete. Als er nichts weiter hinzufügte, trat ein fragender Ausdruck in ihren Blick. Er konnte die Anspannung beinahe mit den Händen greifen. Das Blut stieg ihm ins Gesicht, sein Nacken brannte. Er fühlte sich in die Enge getrieben. Das Bedürfnis zu fliehen wurde übermächtig. Er hasste Partys, er hasste große Menschenmengen. Er war nicht gut im Umgang mit Worten. Lauwaert lag falsch, das hier war nicht sein Abend. Es war nicht einmal seine Welt. Er gehörte nicht hierher.
    „Verbinden Sie mit Ihren Bildern eine besondere Geschichte?“
    „Was?“
    „Ob Sie etwas zu Ihren Bildern erzählen können?“ Die Reporterin bemühte sich nicht mehr, ihre Irritation zu verbergen. „Gibt es etwas, das Sie inspiriert hat? Beziehungen zu anderen Menschen? Oder bestimmte Erlebnisse?“
    „Ich weiß nicht.“ Henryk drehte sich zu dem Gemälde in seinem Rücken, einem der ersten, das er für die Serie gemalt hatte. „Ich verehre Vermeer“, stieß er hervor, „Vermeer van Delft. Ich dachte, hier zum Beispiel“, er wies auf das Bild, „ich könnte ...“ Er stockte. „Die Art, wie er mit Licht arbeitet.“ Sein Akzent klirrte zwischen den Silben. „Die Farbabstufungen, beim Schlafenden Mädchen ... kennen Sie das?“ Rasch fuhr er fort, da Isabel nicht antwortete. „Ich habe das Original nicht gesehen, es hängt in New York. Aber auf den Photos kann man es gut erkennen.“ Er brach ab und zuckte hilflos mit den Schultern.
    „Ah“, sagte sie. Über ihrer Nasenwurzel bildete sich eine Falte.
    Im gleichen Moment bog Verhoeven um die Ecke. Schweißperlen glitzerten ihm auf den Schläfen. Henryk sah, wie Isabels Gesicht sich beim Anblick des Galeristen aufhellte.
    „Wir fangen gleich an“, warf Verhoeven ihm zu. Dann, mit einem Blick zur Reporterin: „Störe ich?“
    „Kein Problem.“ Hilfesuchend lächelte sie ihn an. „Vielleicht kannst du mir nachher noch ein paar Fragen beantworten?“
    Henryk wich einen Schritt zurück.
    Verhoeven berührte ihn am Arm. „Fünf Minuten. Und legen Sie diesen unsäglichen Mantel ab.“
     

3
     
     
     
    Henryk hätte später nicht mehr sagen können, was ihn in die Flucht getrieben hatte. Vielleicht der Ausdruck in den Augen der Leute, als sie applaudierten, dünn und furchtbar bemüht. Kein Wunder, er hatte kaum etwas gesagt. Vielleicht wäre er gänzlich stumm geblieben, wenn Verhoeven ihm nicht den Zettel in die Hand gedrückt hätte, von dem er seine Sätze ablesen sollte.
    Ein Windstoß riss ihm den Atem von den Lippen. Er wischte sich Schnee aus dem Haar.
    Oder eine Bemerkung, die er mit halbem Ohr aufgefangen hatte, ein abschätziger Kommentar. Der Blick dieser Reporterin, Isabel Mahieu, als später Verhoeven bei ihr gestanden hatte.
    Er vergrub die Hände in den Manteltaschen.
    Lauwaert, der ihm auf die Schulter geklopft hatte, nach der Rede, und irgendetwas sagte. Henryk erinnerte sich nicht an den Wortlaut. Der Professor war der einzige gewesen, der versucht hatte, Henryks Verlegenheit zu überspielen.
    Schließlich Verhoeven, der die Situation retten wollte, indem er Henryk die Hand schüttelte und ihn aus dem Radius der Scheinwerfer drängte. Die Erleichterung in den Gesichtern, die noch im Klirren der Sektgläser nachhallte, als Verhoeven die Ausstellung für eröffnet erklärte.
    Henryk glitt halb aus und fing sich mit einem Fluch. Seine Schuhe klangen hohl in der Tordurchfahrt. Er betrat den Hof und versank knöcheltief im Schnee. Hier war es windgeschützt und still. Er starrte hoch in die wirbelnden Flocken und spürte, wie die Wut in sich zusammensank. Seine Augen brannten.
     
     
     
    Wenigstens sie hatte auf ihn gewartet. Unter ihrem roten Hut lächelte sie unverdrossen.
    Henryk entfernte die Hülle aus Zeitungspapier und stellte sich vor, es sei Seide. Mit ausgestreckten Armen umfasste er das Bild und hob es zurück auf die Staffelei. Er fuhr mit dem Finger über ihre Lippen. Die Farbschicht war getrocknet. Gefahrlos konnte er sie berühren, ohne Furcht, ihr Gesicht verletzen.
    Mit zu viel Schwung griff er nach seinem Glas, stieß es beinahe um. Der Rotwein war kalt und schmeckte sauer. Henryk trank mit geschlossenen Augen. Er hatte Kopfschmerzen. Sein Mund fühlte sich pelzig an. Grob stellte er das Glas zurück auf den
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